Premiere an der Bonner Oper Dshamilja Kaiser triumphiert als "Penthesilea"

Bonn · Das Dreamteam aus Dirigent Dirk Kaftan und Regisseur Peter Konwitschny führt Othmar Schoecks selten gespielte Kleist-Oper in Bonn zum umjubelten Erfolg.

 Die Liebe ist ein Schlachtfeld: Dshamilja Kaiser in der Titelpartie von Othmar Schoecks „Penthesilea“.

Die Liebe ist ein Schlachtfeld: Dshamilja Kaiser in der Titelpartie von Othmar Schoecks „Penthesilea“.

Foto: beu

Als eine „von Anfang bis Ende des Stücks pervers hysterische Gestalt“ bezeichnete eine zeitgenössische Kritik Othmar Schoecks Titelheldin seiner 1927 in Dresden uraufgeführten Oper „Penthesilea“. Der Komponist reanimiert hier einen Frauentypus, den Richard Strauss in seinen Opern „Salome“ und „Elektra“ zwei Jahrzehnte zuvor für die Opernbühne erschaffen hatte: Die Frauen sind Extremistinnen der Leidenschaft – wenn einem das eigene Leben lieb ist, sollte man sich hüten, sie zu kränken.

Dass Schoeck für sein Porträt der Amazonenkönigin eine Musik schreibt, die in knapp anderthalb Stunden über weite Strecken unter expressionistischer Hochspannung steht, führt die aktuelle Bonner Produktion auf packende Weise vor. Die natürlichen Grenzen des Theaterguckkastens sind dabei so unpassend wie ein Käfig für ein Raubtier.

Die von Johannes Leiacker für Regisseur Peter Konwitschny entworfene Bühne ist eine schlichte, weiße, in die ersten Reihen des Auditoriums hineinragende Spielfläche. Hier versammeln sich Teile des Publikums und der Chor, dessen Einwürfe von markerschütternder Wirkung sind (Einstudierung: Marco Medved). Wie in einer Arena verfolgen sie den tödlichen Liebeskampf zwischen der Titelheldin und dem griechischen Krieger Achilles.

Musik aus dem Bühnenhintergrund

Das Orchester spielt nicht im geschützten Graben, sondern schleudert Musik vom Bühnenhintergrund hinein ins Publikum. Generalmusikdirektor Dirk Kaftan, der das Beethoven Orchester bei der ersten gemeinsamen Produktion im Bonner Haus mit energischen Gesten anfeuert, wird hier nicht nur musikalisch, sondern auch optisch zur zentralen Figur. Er zeigt sich als souveräner Gestalter großartig inszenierter Ausbrüche und versteht es, den „bronzenen Klang“ herauszuarbeiten, den Schoeck durch die starke Gewichtung der tiefen Streicher und die Verwendung von nicht weniger als zehn Klarinetten erzielt. Musik und Szene verschmelzen hier ebenso wie in der genialen Idee, die beiden in Schoecks Partitur vorgeschriebenen Flügel und ihre Spieler aktiv auf der Bühne mitwirken zu lassen.

Schoeck konzentriert in seiner Oper die Dramenvorlage Heinrich von Kleists auf das Protagonistenpaar. Mit einem Riesensatz springt der Schweizer Komponist hinein in den achten Auftritt des Kleiststücks, wo die Amazonenkönigin im Kampf gegen Achilles ohnmächtig zusammenbricht.

Schoeck interessiert der besondere Umstand, dass sich der Grieche in die Königin verliebt und deshalb auf einen Handel mit den Amazonen eingeht. Weil das Gesetz verlangt, dass Amazonen sich nur besiegten Feinden und nur zum Zwecke der Fortpflanzung hingeben dürfen, soll Achill den Verlierer spielen. Als der Schwindel auffliegt, tötet die Königin ihn, lässt ihn von ihren Hunden zerfleischen und beißt auch selbst zu. „Küsse, Bisse, das reimt sich“, singt Penthesilea im Wahn, „und wer recht von Herzen liebt, kann schon das eine für das andre greifen.“

Sprechpartien gemeistert

Die grausigen Schlachtenszenen zeigt die Oper nicht, sie werden in langen melodramartigen Passagen erzählt. Solche Sprechpartien sind oft ein Problem für Sänger, in Bonn bewältigen vor allem Kathrin Leidig (Meroe) und Marie Heeschen (Erste Priesterin) den Spagat beeindruckend. Auch Aile Asszonyi (Prothoe) und Ceri Williams (Oberpriesterin) bestechen durch großartige Leistungen.

Für Ensembleneuzugang Dshamilja Kaiser in der Titelrolle wird der Abend zu einem Triumph: Mit ausdrucksvollem Mezzo gestaltet sie diese Partie souverän, auf der Bühne agiert sie mit vollem Körpereinsatz, die Frau schont sich nicht eine Sekunde, kurz: Sie ist ein Ereignis. Der Bariton Christian Miedl als ihr Liebesgegner Achilles verfügt über eine schöne Stimme, die er variantenreich einsetzt, und dazu ist er ein Kriegsheld mit entsprechender körperlicher Präsenz. Auch er eine Idealbesetzung.

Für Konwitschny erzählt die Oper auch von Normverletzungen. Wenn am Ende Penthesilea über ihre Bluttat sinniert, verlassen einige der Choristen unter protestierenden Gesten den Saal. Sie stehen stellvertretend für das Opernpublikum, das wiederum für die Gesellschaft steht. In Bonn freilich verstanden die Zuschauer am Sonntagabend ihre Rolle anders: Keiner verließ den Saal, und alle jubelten. Da müssen schon andere Provokationen kommen.

Weitere Termine und Infos finden sich auf der Homepage von Theater Bonn.

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