Juliette Gréco wird 90 Die unbezähmbare Sängerin

"Das Leben ist ein ständiger Kampf": Der französische Chansonstar Juliette Gréco wird 90. Der Gesundheitszustand der Schauspielerin beunruhige, schreibt Frankreichs Presse seit Monaten.

 Poesie und Pose: Juliette Gréco, aufgenommen 2004.

Poesie und Pose: Juliette Gréco, aufgenommen 2004.

Foto: picture alliance / dpa

Ihren Abschied von der Bühne hat Juliette Gréco mit einem Dankeschön verziert. „Merci“ war der Titel ihrer letzten Tournee, mit der sie sich von April 2015 an von ihrem Publikum verabschieden wollte. Ihren 89. Geburtstag feierte sie vor einem Jahr glanzvoll mit einem Konzert im Théâtre de la Ville de Paris. Im März 2016 wurde die französische Sängerin dann wegen Verdachts auf Schlaganfall im Krankenhaus behandelt. Seitdem wurden alle Auftritte abgesagt. An diesem Dienstag wird die Künstlerin 90.

Ihr Gesundheitszustand beunruhige, schreibt Frankreichs Presse seit Monaten. Die Pressemitteilungen, die den Konzertabsagen folgen, bleiben vage. Sie sei noch zu müde, hieß es zuletzt, und müsse ihre Rekonvaleszenz noch einige Wochen fortsetzen.

Der Ausstieg aus dem Konzertbetrieb war wohlüberlegt. Sie wolle „nicht zu weit gehen“, erklärte Gréco, „nicht das Schauspiel einer alten Frau abgeben, die sich an etwas festklammert“. Allerdings gab sie zu: „Das ist sehr hart, das ist sehr kompliziert für mich, das ist sehr schmerzhaft.“

2013 erschien ihre Autobiografie auf Deutsch. „So bin ich eben“ (im Original: „Je suis faite comme ça“) ist der Titel der „Erinnerungen einer Unbezähmbaren“. Zwei Sätze bilden eine unsichtbare Klammer für das Buch und das Leben der am 7. Februar 1927 in Montpellier geborenen Sängerin und Schauspielerin. Einmal ist da ein charakteristischer Satz über die frühe Kindheit: „Ich wachse ohne die Liebe der Mutter und ohne Vater auf.“ Zum anderen ein lakonisch kurzes Resümee der menschlichen Existenz: „Das Leben ist ein ständiger Kampf.“

Diesen Kampf hat sie bereits als kleines Kind aufgenommen, der Tod des Großvaters bedeutete dabei für das Mädchen eine grausame Niederlage. „Das war das Ende meiner Unschuld“, notierte Gréco rückblickend, „und der Beginn einer großen Einsamkeit und Leere, die niemand füllen konnte.“ Später war sie ein Star, die „schwarze Muse von Saint-Germain-des-Prés“. Sie gehörte zur intellektuell-künstlerischen Elite von Paris, hatte Erfolg als Sängerin und Schauspielerin, lernte viele Männer intim kennen und manche leidenschaftlich lieben: wie Miles Davis, Darryl Zanuck, Sacha Distel, Michel Piccoli. Doch Kampf, Widerstand und unbedingte Unabhängigkeit blieben stets das Fundament ihrer nur an der Oberfläche glamourösen Existenz.

Mit dem Schauspieler Philippe Lemaire (1927-2004) hatte sie eine Tochter, Laurence-Marie. Doch die Ehe scheiterte, kämpferisch entschied sich Gréco für die Trennung von Lemaire. Später reichte es, wenn sie eine Verbindung als langweilig empfand, dann war Schluss. „Ich gehöre nur mir“, hat Gréco festgestellt. „Der Stahl, aus dem ich geschmiedet bin, ist ziemlich hart.“

Eine akademische Bildung hat Gréco nicht genossen, das Bistro wurde ihre Universität, mit Lehrern wie Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir. In Clubs wie Le Tabou, dem Kellerlokal der Existenzialisten, wo Boris Vian auf seiner Trompete spielte, übte Gréco gewissermaßen für ihre Karriere als Künstlerin. Sie hatte es immer mit den besten Textern und Komponisten des französischsprachigen Chansons zu tun. Ihre Deutungen von Liedern wie „Si tu t'imagines“, „L'éternel féminin“, „Déshabillez-moi“, „Ne me quitte pas“ und „Le temps des cerises“ sind unvergesslich.

2007, im Alter von 80 Jahren, trat Gréco nach schwerer Krankheit und einer Pause von einem Jahr erstmals wieder auf. „Ich kroch aus einem finsteren Tunnel. Es war eine Art Wiedergeburt“, erinnerte sie sich. Vielleicht ist ihr eine solche Rückkehr noch einmal vergönnt.

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