Catherine Meurisses Graphic Novel "Die Leichtigkeit" Die späte Entdeckung der Leichtigkeit

Bonn · Nach dem Attentat auf Charlie Hebdo zeichnet sich Catherine Meurisse mit ihrer Graphic Novel "Die Leichtigkeit" ihren Weg zurück ins Leben.

 Seite aus Meurisses Graphic Novel „Die Leichtigkeit“ .

Seite aus Meurisses Graphic Novel „Die Leichtigkeit“ .

Am Morgen des 7. Januar 2015 kommt Catherine Meurisse nicht recht aus dem Bett. Sie hat Liebeskummer, verpasst den Bus und erreicht ihren Arbeitsplatz, die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo, später als gewohnt. Das ist der Grund, warum die Karikaturistin, die seit zehn Jahren fest zum Team von Charlie Hebdo gehört, nur knapp dem islamistisch motivierten Terroranschlag entgeht, der an diesem Tag insgesamt zwölf Menschen das Leben kostet, darunter viele Freunde und Kollegen von Meurisse. Monatelang wandert sie danach wie durch einen nicht endenden Albtraum zwischen Trauer, Erstarrung, Polizeischutz und der „Je suis Charlie“-Öffentlichkeit. Irgendwann beginnt sie, wie sie sagt, die Unordnung, die in ihr herrscht, zu Papier zu bringen und ihren Weg zurück ins Leben zu illustrieren. „Ich habe versucht, meine Haut zu retten, indem ich ein Buch machte“, sagt die heute 36-Jährige.

Das Ergebnis, die lesenswerte Graphic Novel „Die Leichtigkeit“ liegt nun in deutscher Übersetzung vor. Es ist eine Art illustriertes Tagebuch, bruchstückhaft und assoziativ, mit vielen traurigen und berührenden, aber auch ermutigenden und heiteren Momenten. Freunde, die Natur und die Kultur hätten ihr entscheidend geholfen, das Trauma zu überwinden, sagt Meurisse. „In den Tagen nach dem Attentat und das ganze Jahr 2015 hindurch, war ich unmittelbar und instinktiv wie besessen von Schönheit. Schönheit als Gegenpol zu Chaos und Gewalt.“

Sie geht nach Rom, wohnt in der Villa Massimo, besucht Museen, Kirchen und antike Ruinen und führt dabei fiktive Gespräche mit dem französischen Schriftsteller Stendhal, dem Protagonisten der sprichwörtlichen kulturellen Reizüberflutung. Überwältigen wie seinerzeit Stendhal lässt sich Meurisse zwar nicht durch die Schönheit, aber sie wird aus ihrer Erstarrung gerissen und findet schließlich ihre Lebenslust.

Die wiedergewonnene Leichtigkeit drückt sich zunehmend auch in humorvollen Situationen aus, in denen Meurisse mit ihrer spöttischen und despektierlichen Art erhabene Momente angesichts großer Kunst einfach zerlegt – nicht umsonst arbeitet sie bei einem Satiremagazin. Den „Kampf um den Erhalt einer Identität“ hat diese großartige Zeichnerin schließlich gewonnen, sich mühevoll das Leben zurückerobert und dabei die Frage hinterlassen, inwieweit die Kunstanschauung tatsächlich irgendetwas oder auch ganz viel bewirken kann.

„Die Leichtigkeit“ von Catherine Meurisse, 144 farbige Seiten, Carlsen Verlag, Euro 19,99.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort