Der große Dandy Deutscher Maler Markus Lüpertz in den USA

Washington · Erst jetzt wird Markus Lüpertz in den USA mit einer großen Retrospektive gewürdigt – dafür dann aber gleich an zwei renommierten Orten in der Hauptstadt Washington: in der Phillips Collection und im Hirshhorn Museum.

 Zwei der in Washington derzeit gezeigten Werke von Markus Lüpertz: „Arkadien – Der hohe Berg“ von 2013...

Zwei der in Washington derzeit gezeigten Werke von Markus Lüpertz: „Arkadien – Der hohe Berg“ von 2013...

Foto: picture alliance / Artists Right

Der Mann im ockerfarbenen Glencheck-Dreiteiler entsteigt einem Taxi, betritt das Foyer der Phillips Collection in Washington und schreitet auf seinen schwarzen Gehstock gestützt in den ersten Raum der Ausstellung. „Entschuldigung, Sir, Entschuldigung!“ – eine Aufseherin läuft dem auffällig gepflegt wirkenden Eindringling nach. Bis ihr eine Kollegin aus der PR-Abteilung buchstäblich in den Arm fällt: „Das ist okay“, raunt sie, „das ist der Künstler.“

Es ist offensichtlich, dass Markus Lüpertz in den USA nicht so bekannt ist wie auf dem europäischen Kontinent und wie manche seiner deutschen Kollegen. Doch weil sie, so erzählen es die beiden Kuratorinnen Dorothy Kosinski und Evelyn C. Hankins, gleichzeitig die Idee hatten, ihn zu würdigen, gibt es nun eine Retrospektive im ganz großen Stil.

Noch bis September sind Gemälde des deutschen Malers, Bildhauers und Dichters in der Phillips Collection und nur knapp dreieinhalb Kilometer entfernt im Hirshhorn Museum an der National Mall zu sehen, in unmittelbarer Nähe zu den Wahrzeichen der US-amerikanischen Hauptstadt: dem Kapitol und dem Washington Monument.

Die USA als Inspirationsquelle

Vorwiegend ältere Werke des Neo-Expressionisten stehen im Mittelpunkt der Schauen, auch solche mit Bezug zu den USA. „Donald Ducks Hochzeit“ und „Donald Ducks Heimkehr“ etwa, zwei 1963 entstandene Ölgemälde aus der sogenannten Donald-Duck-Serie, werden im Hirshhorn Museum gezeigt.

In den sechziger Jahren, so erklärt Lüpertz den Journalisten, die mit ihm durch die Ausstellungen spazieren dürfen, seien die Vereinigten Staaten für ihn inspirierend gewesen, weil sie eine neue Kultur nach Europa gebracht hätten. Das sei heute anders, lässt er sich auf Nachfragen aus der Nase ziehen; zu aktueller Politik oder gar zum umstrittenen Präsidenten mag er sich aber nicht äußern. So wie er mit seiner Kunst generell keine Verantwortung übernehmen will. Es sei ihm egal, wer seine Auftraggeber seien, sagt er und fügt grinsend hinzu: „Ich muss fünf Kinder ernähren.“

Überhaupt scheint es der Mann mit dem gepflegten weißen Vollbart und dem dicken Totenkopf-Ring am linken Mittelfinger nicht allzu sehr zu mögen, wenn man ihn um unmittelbare Interpretationen und Einschätzungen bittet. Die beiden Ausstellungen zeigen einige seiner „deutschen Motive“, die vorwiegend in den späten sechziger und in den siebziger Jahren in Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte entstanden.

Spröde Reaktionen auf den Stahlhelm

Erstmals in den USA zu sehen: das 12,5 Meter breite Werk „Westwall (Siegfried Linie)“ aus dem Jahr 1968. Und natürlich Stahlhelme. Was denn der Helm den Amerikanern sagen solle, will ein Journalist wissen. Die Reaktion fällt spröde aus: „Die Amerikaner sehen sich den Helm an, ich bin nicht zuständig für den Helm.“ Der Stahlhelm habe ihn als Form fasziniert, sagt der ehemalige Rektor der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf später an anderer Stelle. „Er hat seine Geschichte. Dafür bin ich nicht verantwortlich.“

Eloquent wird Markus Lüpertz, der im Bonner Stadtbild mit den beiden Skulpturen „Ludwig van Beethoven“ (im Stadtgarten in der Nähe des Alten Zolls) und „Mercurius“ (vor dem Post-Tower) vertreten ist, wenn er frei reden kann. Am liebsten, so scheint es, über die Kunst im Allgemeinen und die Malerei im Besonderen. „Sagen wir es einfach“, sagt er und lächelt charmant in die Runde, „in der Malerei gibt es nichts Neues. Seit Tausenden Jahren haben wir das gleiche Material, nur die Künstler wechseln.“ Die Avantgarde, Lieblingsgegner des 76-Jährigen, habe ausbrechen wollen. „Und dann ist etwas Furchtbares passiert: Die Avantgarde bestimmt, was Kunst ist.“

Kunst sei keine handwerkliche Disziplin mehr, sie gehe in die Politik, in die Pädagogik. „Kunst will die Welt retten. Aber das hat nichts mit Malerei zu tun.“ Im Zusammenhang mit Kunst gebe es keine Wahrheit. „Manche Künstler waren in der Vergangenheit weltberühmt, und heute interessieren sie niemanden.“ Ihm und seinem Werk könnte es anders ergehen, glaubt Lüpertz: Einige der 40, 50 Jahre alten Bilder der Ausstellungen, die er nun seit langem das erste Mal wiedersieht, „hätte ich auch gestern malen können. Für mich ist mit den Bildern keine Zeit vergangen. Ich hoffe, dadurch Ewigkeit zu erlangen.“

"Bilder, die dich packen"

Ganz so hoch greift Dorothy Kosinski zwar nicht, aber die Begeisterung für Lüpertz' Werk ist der Phillips-Kuratorin anzumerken: „Das sind Bilder, die dich packen, und die davon erzählen, wofür Bilder da sind.“ Lüpertz' Werk findet sie „so robust“ und die Ausstellung (mit intuitiver Auswahl, nicht chronologisch oder thematisch geordnet) eine „große, fette Umarmung von Malerei“.

Warum die Amerikaner dieser Um-armung bislang nicht völlig erlegen, andere deutsche Maler ähnlichen Kalibers in den USA bekannter seien? Lüpertz hat dafür eine Erklärung: „Ich habe keine Marke entwickelt: wie Georg Baselitz, auf dem Kopf, oder Gerhard Richter, verwischt.“ Die beiden Ausstellungen sollen nun „zu meinem Ruhm beitragen“. Ein Lächeln umspielt seine Lippen, als er seine schwer beringte linke Hand auf die schwer beringte rechte legt, die bereits auf dem schwarzen Spazierstock ruht. „Amerika muss ich noch erobern“, sagt er, „ich bin sozusagen Kolumbus.“

Die Ausstellungen:

Markus Lüpertz. Phillips Collection, 1600 21st Street NW, Washington D.C. (www.phillipscollection.org). Bis Sonntag, 3. September.

Markus Lüpertz: Threads of History. Hirshhorn Museum, National Mall, Ecke 7th Street SW / Independence Avenue, Washington D.C. (https://hirshhorn.si.edu). Bis Sonntag, 10. September.

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