Konzert im Telekom-Forum Der Stern ihrer Träume

Bonn · „Grenzenlos“: Das Beethoven Orchester und die Gruppe Kardes Türküler begeistern mit einem Programm, das Klassik und orientalische Musik verbindet.

"Uvertürü Saraydan kız kaçırma“ stand im Programm. Das ist türkisch und heißt auf deutsch: „Ouvertüre zur „Entführung aus dem Serail“. Sympathische Geste an die türkischstämmigen Mitbürger, doch Mozarts Musik bleibt dieselbe, könnte man denken. Das Beethoven Orchester unter Leitung von Dirk Kaftan ging im zweiten Konzert seiner Reihe „Grenzenlos“ aber noch einen Schritt weiter. Die Eröffnungsmusik zum Singspiel erhielt eine neue Einleitung, türkische Folklore nämlich, gespielt von „Kardes Türküler“. Westliches Klischee vom osmanischen Reich traf auf authentische Klänge aus dem Hier und Jetzt am Bosporus.

„Kardes Türküler“ ist eine bis zu 20 Musiker umfassende anatolische Folk-Bigband, deren Name man ungefähr mit „Lieder der Brüderlichkeit“ übersetzen könnte. In Bonn trat das Ensemble mit neun Musikern und Musikerinnen an. Der Mozart'schen Ouvertüre schickten sie ein tänzerisch geprägtes Lied voraus, mit dem unwiderstehlichen, sanft schwingenden rhythmischen „Drive“ und dem feinen, melismatischen Gesang, durch den sich die Musik aus dem Gebiet des Schwarzen Meeres auszeichnet. Unmittelbar daran schlossen sich die Akkordschläge nebst Tschingderassa der Ouvertüre an. Ein Effekt, der im voll besetzten Telekom-Forum für Heiterkeit sorgte, aber auch eine durchaus erhellende, um nicht zu sagen, aufklärerische Wirkung erzielte.

Ähnliches passierte, als „Kardes Türküler“ in Alexander Borodins „Steppenskizze aus Mittelasien“ ein Lied einfügte, das von einer Karawane, von Fremde und Heimat, vom Zuhause erzählte, das „der Stern unserer Träume“ ist. Das Stück von Borodin hingegen, das wird aus Anmerkungen des Komponisten deutlich, glorifiziert, so pittoresk es auch instrumentiert ist, die russischen Eroberer als Schutzmacht der indigenen Bewohner.

Doch obwohl das Programm zu derlei Überlegungen einlud, blieb der moralische Zeigefinger unten. Wie das 19. Jahrhundert auf den Orient blickte – mit westlichen Mitteln nämlich –, hörte man in Rimski-Korsakows „Scheherezade“, einer sinfonischen Dichtung nach „Tausendundeine Nacht“, die musikalisch aber viel näher an Grieg oder Mendelssohn ist.

Das Bild änderte sich, als dann „Kardes Türküler“ die Bühne betrat und von den vielen türkischen Fans im Publikum mit Begeisterung begrüßt wurde. Die Gruppe feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen, ihr Repertoire umfasst traditionelle Lieder, die aber zeitgemäß, etwa mit E-Bass und Saxofon, interpretiert werden. Gesungen wird in Türkisch, Kurdisch, Armenisch und noch anderen Sprachen der insgesamt 52 Ethnien, die in der Türkei leben. Man erlebte grandiose Musiker mit Charisma, die auf betörende Weise musizierten. Am Schluss spielten BOB und „Kardes Türküler“ einige Arrangements zusammen – ganz unverkrampft und ohne Integrationskitsch. Der Saal war aus dem Häuschen.

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