Lustspielpremiere Der Irrsinn heißt Adolf

Bonn · Die Gesellschaftssatire „Der Vorname“ von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière bereitet dem Premierenpublikum im Contra-Kreis-Theater großes Vergnügen

 Perfekte Besetzung: Sebastian Goder, Anja Kruse und Pascal Breuer in der Komödie „Der Vorname“. FOTO: CKT

Perfekte Besetzung: Sebastian Goder, Anja Kruse und Pascal Breuer in der Komödie „Der Vorname“. FOTO: CKT

Foto: Contra-Kreis

Der Irrsinn hat einen Namen. Oder besser: einen Vornamen. Man kann sein Kind Winnetou nennen. Oder auch Dakota oder Godot, Speedy, Fanta, Milka und Blaubeere. Aber auch Adolf? Adolf, wie Hitler? Ausgerechnet Adolf – das ist der Ausgangspunkt der Komödie „Der Vorname“ von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière. Das Stück entpuppt sich als eine brillant gemachte Gesellschaftssatire, der Vergleich mit Yasmina Rezas „Gott des Gemetzels“ liegt nahe. Die beiden Autoren sind nicht ganz so giftig wie ihre Kollegin, haben aber immer noch reichlich Attacke-Material in ihrem Köcher. Das wirkt – der Publikumsjubel bei der Premiere im Contra-Kreis-Theater war ausgesprochen heftig.

Man ist in dieser bösen Komödie unter sich, im gutbürgerlichen Milieu mit leicht linksliberalem Einschlag: fünf miteinander sehr vertraute Menschenfreunde, die sich zum Abendessen treffen, sich am marokkanischen Büfett bedienen und dazu selbstverständlich einen 1985er Cheval Blanc trinken, Preis pro Flasche etwa 500 Euro. Da gibt es den Literaturprofessor Pierre mit seiner Frau Elisabeth, deren Bruder Vincent, einen Immobilienmakler, und seine schwangere Partnerin Anna und schließlich Claude, den klassischen Posaunisten mit einem interessanten Geheimnis.

Vincent mischt die Runde auf mit seinem Adolf-Plan. Das ist natürlich, wie sich später herausstellt, nur ein schlechter Scherz, reicht aber vollkommen aus, um die Masken bürgerlicher Wohlerzogenheit fallen zu lassen. Es wird ungemütlich bei diesem Treffen unter Freunden, Gräben tun sich auf, alte Wunden schmerzen – das Wohlstandsleben besteht zu einem nicht zu kleinen Teil aus Vorurteilen und Verlogenheiten. Es entwickelt sich eine wahre Zimmerschlacht mit hohem Aggro-Potenzial, jeder gegen jeden. Wer landet den persönlichsten Treffer? Ganz nebenbei trifft das Stück den Ton einer Zeit, in der Diskussionen immer häufiger ganz schnell hysterische Züge annehmen.

Das Autoren-Duo federt den Kampf der spitzen Zungen mit viel Witz und einigen leisen, nachdenklichen Stellen ab – Regisseur René Heinersdorff, der diesen Schlagabtausch mit hohem Tempo spielen lässt, baut solche Zäsuren perfekt ein. Er kann sich dabei auf ein Schauspieler-Quintett verlassen, dass bis ins dann doch kuschelige und versöhnliche Finale hinein dem Publikum ganz außerordentliches Vergnügen bereitet.

Werner Tritzschler als Literaturprofessor Pierre ist genau jener unausstehliche Intellektuelle, der nach außen den Moralisten gibt und nach innen, in der Ehe, den selbstzufriedenen Pascha bevorzugt. Anja Kruse balanciert den ganzen Abend hindurch großartig zwischen verbitterter Ehefrau und bemüht netter Gastgeberin – bis der Frust explodiert. Pascal Breuer (Vincent) trägt mit hübsch perfidem Lächeln und verbaler Großkotzigkeit den Zynismus als Selbstschutz vor sich her, Janina Isabell Batoly (Anna) vermittelt viel vom Typ junge Karrierefrau mit gut entwickeltem Seelenleben. Und Sebastian Goder (Claude) hat berührende Minuten in einer ganz sanft erzählten Lebensbeichte. Kurzum: eine perfekte Besetzung zum Genießen.

Bis zum 10. Juli auf dem Spielplan des Contra-Kreis-Theaters. Karten unter anderem in den Geschäftsstellen des General-Anzeigers.

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