Historisch, künstlerisch, komisch Das sind die Ausstellungen zu Beethoven 2020

Bonn · Das Beethoven-Jubiläum in Bonn startet am 16. Dezember und dauert ein Jahr. Hier gibt es einen Überblick über die Bonner Ausstellungen des Beethoven-Jubiläumsjahres 2020.

Die Beethoven-Jubiläumsgesellschaft und die Bonner Institutionen, die 2020 den Komponisten zum 250. hochleben lassen wollen, haben dazugelernt – und die weibliche Seite der Kultur entdeckt. Bravo! Im November 2018 war das Podium des „Presse Talks“ im Foyer der Oper aufreizend Männer-dominiert wie sonst nur die Führungsriege von Horst Seehofers Innenministerium: Ein knappes Dutzend Kulturherren saß stoisch bis gelangweilt auf der Bühne – das dokumentiert unser damaliges Pressefoto.

Beim „Presse-Talk“ Nummer drei am Donnerstag im LVR-Landesmuseum zeigte die Kultur nun auch ihre weibliche Seite. Frau und Mann standen mehr oder weniger locker im Kunsttempel, präsentierten ihre Programme am Stehtisch. „Kaleidoskop Ausstellungen“ war das Thema, „ein wesentlicher Baustein unseres Jubiläumsprogramms“, wie der kaufmännische Geschäftsführer Ralf Birkner ausführte. BTHVN zähle alleine 50 „Fördernehmer“, die Vielfalt der Anbieter garantiere ein „buntes Programm“. In Birkners Augen sei das der Vorteil: „Wir sind partizipativ und nicht intendantisch.“ Gabriele Uelsberg, Direktorin des LVR-Landesmuseums, eröffnete den „Presse Talk“. Das Landesmuseum sei die Mutter aller Bonner Museen, sei noch zu Beethovens Lebzeiten gegründet worden, meinte sie.

Hier ein kleiner Überblick der Ausstellungen zu Beethoven 2020:

LVR-Landesmuseum Bonn: Mitmachausstellung „Music! Hören, Machen, Fühlen“: Im Zentrum der Ausstellung stehe das gemeinsame Erleben von Musik, sagte Ausstellungsleiter Lothar Altringer – von Beethoven bis Beyoncé und von Europa einmal rund um die Welt. 30 interaktive Stationen laden ein, Musik zu hören, zu machen und zu fühlen. Dazu müsse man kein Instrument spielen oder Noten lesen können – Neugierde auf neue Klänge und Erlebnisse genüge.

Die Schau gliedert sich in fünf Themenpavillons. Spielerisch lasse sich erforschen, wie Musikhören und -machen uns mit anderen Menschen verbinde oder auch trenne; wie Musik uns entspanne; wie sie uns helfe, Gefühle auszudrücken; wie Musik sogar die Welt verändere. Die Ausstellung „Music!“ ist ein Kooperationsprojekt des Landesmuseums, des Museon Den Haag, des Landesmuseums Braunschweig, des Limburgs Museum Venlo und von Bruns B.V. Bergeijk.

Das Projekt „Vielsaitig“ hat das Landesmuseum zusammen mit dem Beethoven Orchester, Beethovenfest, Beethoven-Haus und Theater Bonn entwickelt. Die Klangskulptur „Music!“ zieht durch die Stadt und wird in Kindergärten, in Schulen, auf Spielplätzen und in Parks stehen. Die Klangskulptur sei zum Anfassen, Ausprobieren und Mitmachen gedacht, teilt das Museum mit.

Bundeskunsthalle: „Beethoven – Welt.Bürger.Musik“. Die Schau will Beethovens Leben, Werk und Wirkung einem breiten Publikum vermitteln und dabei die seit 200 Jahren kultivierten Mythen und Klischees, die sich um seine Person ranken, hinterfragen. Rund 250 Exponate werden in der von Agnieszka Lulinska (Bundeskunsthalle) und Julia Ronge (Beethoven-Haus) kuratierten Schau ein Panorama von Beethovens Zeit zeichnen. „Welt“ zielt auf die globale Bedeutung Beethovens bis in die heutige Zeit. „Bürger“ bezieht sich auf die Positionierung Beethovens im ideengeschichtlichen und kulturhistorischen Kontext der sich grundlegend verändernden, zunehmend von bürgerlichen Werten geprägten Gesellschaft.

„Musik“ schließlich bezieht sich auf Beethovens musikalisches Œuvre, dargestellt anhand ausgewählter Schlüsselwerke wie der Symphonie Nr. 3. „Eroica“, der Klaviersonate op. 106 oder der „Missa Solemnis“. Gezeigt werden Originaldokumente von ersten Skizzen und Originalpartitur, über begleitende Korrespondenz und diverse Abschriften bis hin zu den Druckplatten und der fertigen Erstausgabe des Werks.

Kunstmuseum Bonn: „Sound and Silence. Der Klang der Stille in der Kunst der Gegenwart“. Die von Volker Adolphs und Stephan Berg kuratierte Ausstellung beschäftigt sich mit der Sicht- und Hörbarmachung von Stille und Schweigen innerhalb der Kunst der Gegenwart. „Dabei berücksichtigt sie in besonderer Weise die paradox dialektische Dimension der Sphäre des Schweigens und der Stille, die selbst immer nur in Relation zur Sphäre des Klangs fassbar wird“, heißt es in einer Presseerklärung. Insofern suche die Ausstellung auf verschiedensten Ebenen Trenn- und Verbindungslinien zwischen dem Noch-Nicht oder dem Nicht-Mehr des Hörbaren. 50 Künstler sind in der Schau vertreten, von Nevin Aladag und John Cage bis Bruce Nauman, Cartes Nicolai und Jorinde Voigt. Es gehe in diesem breiten medialen Panorama, so Adolphs, um die „Sehnsucht nach Stille in unserer akustisch überfluteten Welt“, aber auch um die Panik, die Stille auslösen kann.

Beethoven-Haus: Neu gestaltetes Museum. Das Beethoven-Haus präsentiert sich zu Beethovens 250. Geburtstag mit einem neu gestalteten Museum und einem besonderen Veranstaltungsprogramm. Mit einer rund 3,5 Millionen Euro teuren räumlichen Erweiterung und Neugestaltung des Museums im original erhaltenen Geburtshaus will man Leben und Werk des Komponisten „erlebnisorientiert vermitteln“, wie es heißt. Die Neupräsentation solle informative und emotionale Zugänge zu den über 200 originalen Exponaten – Originalhandschriften, Instrumente, Alltagsgegenstände, Beethovens Hörrohre sowie Porträts – aus der weltberühmten Sammlung bieten. Neu sei ein Musikzimmer, das regelmäßige Aufführungen auf historischen Tasteninstrumenten, Filmvorführungen und Vorträge biete. Fünf Themenausstellungen sind für 2020 geplant.

Haus der Geschichte: "Hits & Hymnen – Klang der Zeitgeschichte“. „Wir werden nicht beantworten, wie politisch Beethoven war, widmen uns aber dem spannungsvollen Verhältnis von Musik und Politik“, sagte Thorsten Smidt, Ausstellungsleiter des Hauses der Geschichte. Musik wecke Emotionen, sie könne agitieren, mobilisieren, Identität stiften. Nationalhymnen und Militärmusik sind wichtige Bestandteile staatlicher Repräsentation und Symbolik.

Die Auseinandersetzung darüber, welche Hymne und welcher Text für Staaten geeignet sei, werfe bereits ein Schlaglicht auf die junge Bundesrepublik und die DDR. In den 1960er Jahren etabliert sich in Deutschland eine Liedermacher-szene, die − inspiriert von amerikanischen Folksängern wie Bob Dylan oder Joan Baez − Proteste gegen das „Establishment“ artikuliert.

Ein „Soundtrack der Zeitgeschichte“ in der Ausstellung widme sich ikonischen Musikstücken, die Geschichte geschrieben haben, heißt es in einer Presseinformation des Hauses der Geschichte. Ob Karl Berbuers Karnevalslied „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“, Nicoles „Ein bisschen Frieden“, oder Nena und die „99 Luftballons“ – viele erfolgreiche deutsche Lieder seien nur vor dem Hintergrund aktueller Debatten und gesellschaftlicher Diskussionen zu verstehen. Diese Hits haben sich ins kollektive Gedächtnis eingegraben und spiegeln das Lebensgefühl der jeweiligen Zeit.

Bonner Kunstverein: „Jeremy Deller“. Kurator Volker Zander bereitet gerade eine Ausstellung mit dem britischen Künstler Jeremy Deller vor, Turner-Preisträger von 2004 und 2013 Vertreter Englands auf der Kunstbiennale in Venedig. Deller dreht gerade zusammen mit dem Beethoven Orchester und über 100 Teilnehmern, darunter rund 50 Kinder zwischen sechs und elf Jahren, einen Kurzfilm. Deller hat bereits etliche Musikfilme gedreht.

Frauenmuseum: „Beethoven und die Frauen – seine Kolleginnen“. Das Frauenmuseum plant ein Szenarium aus Geschichte, aktueller Kunst, Musik und Videoprojektionen auf rund 2000 Quadratmetern. Werke von Komponistinnen beziehen sich auf Beethoven, seine Zeit, seine Ideenwelt und was darüber hinaus auf unsere Gegenwart und Zukunft verweist. Ein Symposium soll das Thema von 2001 aufgreifen: Der weibliche und männliche Beethoven. Ein zweites soll sich mit Synästhetik und interdisziplinärer Kunst befassen.

Das Museum plant Aufführungen der Komponistinnen Francesca Caccini, Barbara Strozzi, Fanny Hensel, Johanna Kinkel und anderen. Curt Delander wird die Bonner Wohnsituation von Beethoven nachinszenieren, ein Film soll auf den Spuren des Komponisten wandeln.

Museum August Macke Haus: „Orpheus – Traum und Mythos in der modernen Kunst“. Orpheus, mythischer Sänger und Dichter, der vom Ursprung der Dinge kündete und Menschen, Tiere, selbst Bäume und Felsen in verzücktem Lauschen um sich scharte, steht im Mittelpunkt der Ausstellung. Genauer: ein Korblehnstuhl im Macke Haus, dessen gestickter Bezug Orpheus unter den Tieren zeigt. Die Darstellung wurde um 1912/1913 von August Macke entworfen und von seiner Schwiegermutter sowie deren Mutter gestickt. Mackes Tendenz zur Abstraktion, seine Verbundenheit mit dem französischen, sehr farbigen Orphismus spiegele sich darin, heißt es.

Stadtmuseum Bonn: „Bonns goldenes Zeitalter“ und „Astro Boy, Inspecteur Erinova, Comic Tom & Beethoven virus“. Museumschefin Ingrid Bodsch verspricht zwei Ausstellungen mit originellem Ansatz: „Wir wollen ein Beethovenbild vermitteln, das weit weg vom gängigen Bild ist.“ Das gelte sowohl für die Ausstellung über den historischen Beethoven, als auch für die Rezeption des Komponisten als neuer Held der Populärkultur in Comics und Mangas unserer Tage.

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