Let's rock! Crossroads-Festival in der Harmonie in Bonn

BONN · Vier Tage, acht Bands: Seit 15 Jahren veranstaltet die Rockpalast-Redaktion des WDR im Bonner Musikclub Harmonie jeweils im Frühjahr und im Herbst das Festival Crossroads mit internationalen Künstlern. Die 30. Staffel startet am 14. März.

Peter Sommer sitzt im Glashaus. Mit Steinen wirft er nicht. Sein Büro ist zwar nicht besonders groß, aber Teil eines preisgekrönten Gebäudes. Der transparente Kubus in der Kölner Mörserstraße wurde im vergangenen März vom Stadtentwicklungsministerium des Landes als „Vorbildlicher Arbeitsort“ ausgezeichnet. Die ehemalige Lagerimmobilie heißt heute 1Live-Haus, weil hier der hippe Radiosender des WDR residiert. Das moderne Ambiente passe zum „coolen Image“ von 1Live, hatte Minister Michael Groschek konstatiert. Und weil in heutigen Zeiten alle Mitarbeiter eines Kommunikationsunternehmens am besten „crossmedial“ unterwegs sind, passt auch der Fernsehmacher Peter Sommer in dieses Glashaus.

Sommer hütet ein historisches Erbe, als WDR-Redakteur zeichnet er verantwortlich für die Marke „Rockpalast“. Sein Vorgänger Peter Rüchel hatte die legendäre Reihe einst begründet, 1977 ging die erste von 17 sechsstündigen Rockpalast-Nächten über den Sender. In der Essener Grugahalle spielten die Weltstars der Rockmusik, darunter Police, The Who und Grateful Dead. Der WDR sendete live, über Eurovision schaute halb Europa zu.

Rocknächte gibt es nicht mehr, aber der Rockpalast macht munter weiter. Seit 2003 dreht Peter Sommer (60) mit kleinem Team am großen Rad: „Wir produzieren 8000 Sendeminuten jährlich“, sagt er. Der Schwerpunkt liegt bei Konzertmitschnitten: Reeperbahn Festival Hamburg, Leverkusener Jazztage, Haldern Pop, Moers Jazzfestival – der Rockpalast ist dabei und strahlt aus, ob Fernsehen oder Internet.

Premiere war 2003

Seit 2003 schickt Sommer seinen Ü-Wagen zweimal im Jahr auch nach Bonn-Endenich. Zusammen mit den Betreibern des Musikclubs Harmonie organisiert der Rockpalast das Festival Crossroads. Konzept: Acht bekannte oder unbekannte Bands aus aller Welt definieren an vier Tagen die Rockmusik, erfinden sie neu oder schwelgen in den Spielarten der Gründergenerationen. In 15 Jahren kamen 29 Staffeln zusammen, die 30. Ausgabe startet am 14. März.

Und warum die Harmonie? „Es ist einer der besten Clubs, die ich kenne“, sagt Sommer meint damit „Infrastruktur, Ambiente und Publikum“. Dabei verlief die Premiere im September 2003 nicht reibungslos. Carl Carlton, etatmäßig Gitarrist bei Udo Lindenberg und Peter Maffay, trat mit seinen Songdogs an – und erlitt einen Zusammenbruch. Glück im Unglück: Der Rockpalast-Fotograf Reinhard Näkel ist gelernter Mediziner, er hat ein Jahr später auch das Magen-Darm-Problem von Dick Taylor (Pretty Things) erstversorgt.

232 Bands haben in all den Jahren in Endenich ihre Visitenkarte abgegeben, darunter Szenegrößen wie The Brandos, Beasts Of Bourbon, Green On Red, Tito & Tarantula, Beth Hart, Fischer-Z, Ian Parker, Dana Fuchs, Roachford, Paul Carrack, Inga Rumpf und Chris Farlowe. Und wie entsteht ein Festival dieser Ausrichtung? Sommer grinst. Die Redaktion verschickt zweimal im Jahr mehrere Hundert Mails weltweit an Künstleragenturen, Manager, Plattenfirmen, Produzenten – und sammelt Anregungen für ein stimmiges Festivalprogramm. Welche Künstler stehen zur Verfügung? Wer hat ein Album am Start? Zurzeit bearbeitet Peter Sommer an seinem Rechner die Korrespondenz – für das übernächste Festival im Herbst.

Orango präsentiert "The Mules Of Nana"

Die 30. Staffel im März steht längst. Und sie steckt voller Überraschungen. Die Band Orango präsentiert ihr Album „The Mules Of Nana“ – auf dem Cover ein Pueblo-Indianer, innen ein leuchtender Kakteenwald, im ersten Song lebhafte Southernrock-Gitarren, dann verstohlene Zitate von Crosby, Stills, Nash & Young. Bestimmt eine Band aus Arizona oder so.

Fehlanzeige: Orango kommt aus Norwegen. Hintergrund: Der Bassist Hallvard Gaardlos spielte im Oktober mit der Band Spidergawd bei Crossroads und erzählte dem WDR-Redakteur beim Frühstück im Endenicher Hotel von seiner eigenen Band: Orango. Aber auch die Norweger werden überrascht: Sie teilen sich am 14. März die Bühne mit dem Kalifornier Chris Robinson, der mit seiner neuen Band Brotherhood anrückt. Zuvor schriebt Robinson ein Kapitel Rockgeschichte mit den Black Crowes. Zu seinen größten Fans zählen drei Musiker aus Norwegen. Orango.

Merke: Southernrock kommt heutzutage nicht mehr zwangsläuft aus den Südstaaten und Motown-Soul nicht aus Detroit. Die Band D/troit stammt aus Kopenhagen. Und die Ladys von Heavy Tiger aus Schweden. In dieser Hinsicht könnte man bei Crossroads musikalische Ratespiele organisieren.

Endenich kommt ebenfalls zu Ehren beim Festival, das hat bereits Tradition. Das Rockpalast-Team schwärmt gern aus und bittet die Musiker zu kleinen Unplugged-Darbietungen. So spielten die Flying Eyes zwischen Nelken und Narzissen im benachbarten Blumenladen. John Coffey veranstaltete eine Session im Abbruchhaus. Und der Crossroads-Moderator Rembert Stiewe führt seine Künstlerinterviews am liebsten im Werkstattkeller der Harmonie. Ein hübsches Kontrastprogramm zum Glashaus in Köln.

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