Tanz in der Oper Chopin in Bewegung

Bonn · Höhepunkte des internationalen Tanzes: Das „Northwest Dance Project“ präsentiert sich in der Bonner Oper. Die neun Tänzerinnen und Tänzer sind klassisch ausgebildet und beherrschen die traditionellen Ballett-Figuren.

 Zarte Melancholie: Produktion des „Northwest Dance Project“.

Zarte Melancholie: Produktion des „Northwest Dance Project“.

Foto: Theater

Diese Company aus der nordwestlichen Pazifikregion der USA ist ein Ereignis. Darüber waren sich die Bonner Tanzfreunde beim ersten Gastspiel des „Northwest Dance Project“ aus Portland/Oregon im fast ausverkauften Opernhaus einig. Die 2004 von der Choreografin Sarah Slipper gegründete Truppe ist international noch wenig bekannt, aber eine Entdeckung in der weltweiten Tanzszene unbedingt wert.

In Bonn zeigte sie die Europa-Premiere ihres 2015 uraufgeführten „Chopin Project“. Live am Flügel begleitet von dem jungen südkoreanischen Pianisten Yekwon Sunwoo, 2015 beim „International Piano Forum“ in Frankfurt mit dem Deutschen Pianistenpreis ausgezeichnet. Chopins 24 Préludes Op. 28 mit ihren abrupten Stimmungswechseln bilden das musikalische Gerüst für die dramatischen Szenen zwischen zarter Melancholie und manchmal auch praller Komik.

Da klebt beispielsweise ein Paar in einem nicht enden wollenden Kuss aneinander, während ihre Körper zappelnd auseinanderstreben. Gelbe Rosen wandern von den Händen zwischen die Zehen; später falten sie kleine gelbe Papierflieger und schicken sie auf eine Luftreise. Kokett stellen sie Schilder mit den Vornamen der vier Choreografen auf den Flügel, die den einzelnen Passagen ihre künstlerische Handschrift verliehen haben: Lucas Crandall, Sarah Slipper, Tracey Durbin und Rachel Erdos. Trotz dieser unterschiedlichen Bewegungskonzepte fügt sich alles in dem 60-minütigen Stück zu einer originellen Gesamtkomposition. Es sind Fragmente einer potenziellen Erzählung über zwischenmenschliche Beziehungen und Gruppendynamik.

Rausch von Bewegungs-Reflexionen

Die neun fabelhaften Tänzerinnen und Tänzer sind klassisch ausgebildet, beherrschen die traditionellen Ballett-Figuren wie die expressiven Gesten des Modern Dance. Aber sie können auch unversehens von einer sauberen Pirouette zu Powermoves wechseln. Oder von Sprung-Kapriolen in eine Breakdance-Battle mit Hiphop-Elementen. Mit geradezu akrobatischer Geschmeidigkeit absolvieren sie in hellen Kostümen kühne Hebungen und Würfe, bauen gemeinsam massive Körperskulpturen und lassen diese wieder in Einzelmomente zerfließen. Immer präzis auf der Spur von Chopins musikalischen Skizzen, die nach Adornos bekannter Interpretation „fragend ins Unendliche deuten“.

Auf diese an die Grenzen der körperlichen Erschöpfung reichende Arbeit folgte nach der Pause noch „Yidam“ von dem Briten Ihsan Rustem, seit 2015 fester Hauschoreograf beim NW Dance Project. Zum Streichsextett „Weather One“ des amerikanischen Postmimal-Komponisten Michael Gordon (der Ton kommt diesmal elektronisch verstärkt vom Band) entfachen acht Tänzerinnen und Tänzer einen Rausch von Bewegungs-Reflexionen.

Im suggestiven Lichtdesign von Jeff Forbes erkunden sie Schatten- und Leuchtspuren des Selbstbewusstseins. Schräg in die Luft ragt eine Bahn des Tanzteppichs, während sie unten mit irrem Tempo immer neu beginnen, um Gefühle und Aufmerksamkeit zu kämpfen. Dabei geht ihre tänzerische Energie bei aller distanzierten Virtuosität direkt unter die Haut. Trotz aller solistischen Perfektion des gesamten Ensembles galt ein Sonderbeifall der aus Manila stammenden zierlichen Ching Ching Wong, die locker alle Schwerkraft negiert.

Das nächste „Highlight des internationalen Tanzes“ folgt bereits am 1. November um 18 Uhr mit den „Ballets Jazz Montréal“ aus Kanada.

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