Jugendchor der Bonner Lukaskirche Brittens "War Requiem" beeindruckt in Kölner Philharmonie

Köln · Musik für den Frieden: Benjamin Brittens „War Requiem“ beeindruckt in der Kölner Philharmonie. Mit dabei: der Jugendchor der Bonner Lukaskirche.

 Intensive Interpretation: Thomas Neuhoff, Musiker und Sänger bei der Probe in der Philharmonie.

Intensive Interpretation: Thomas Neuhoff, Musiker und Sänger bei der Probe in der Philharmonie.

Foto: Thomas Brill

Es war das erklärte Ziel der rund 300 meist jungen Mitwirkenden aus aller Welt, ein Zeichen für ein friedliches Miteinander zu setzen. Dafür kam eines der großen Anti-Kriegswerke aller Zeiten auf das Podium der Philharmonie, Benjamin Brittens „War Requiem“ (1961). Der Komponist war glühender Pazifist und einer der ersten Kriegsdienstverweigerer.

Es war eine Aufführung mit Symbolcharakter: Mit dem Einbezug des britischen Coventry Cathedral Girl’s Choir wurde an die Zerstörung von Stadt und Kathedrale Coventry durch die deutsche Luftwaffe vom 14. November 1940 erinnert; das eineinhalbstündige Werk kam 1962 in Coventry zur Uraufführung. Neben dem Polnischen Nationaljugendchor und dem belgischen Knabenchor „Les Pastoureaux“ war außerdem der Jugendchor der Bonner Lukaskirche beteiligt. Zusammen mit dem veranstaltenden Kölner Bach-Verein boten die zahlreichen Sängerinnen und Sänger ein opulentes Bild auf den Rängen und Balkonen hinter und über der Bühne.

Ihren Klang zu bündeln war die Aufgabe von Thomas Neuhoff, künstlerischer Leiter des Bach-Vereins. Er kultivierte einen runden, zwischendurch üppig verdichteten und im finalen „Amen“ weich nachklingenden Vokalpart. Da waren wirklich gute und angenehme Stimmen zu hören, besonders gefielen die engelsgleich schwebenden Mädchenstimmen des Chors aus Coventry.

Intensive und saubere Interpretation des Klassikers

Zum Gelingen des „War Requiem“ trug auch der zweite Hauptveranstalter bei, das Bundesjugendorchester. Die hochtalentierten Nachwuchsmusiker boten eine intensive und saubere Interpretation des Klassikers, zusätzlich unterstützt von Mitgliedern des Orchestre Français des Jeunes. Einschließlich der Blechbläser im „Dies-Irae“-Abschnitt klang alles erstaunlich professionell. Und auch das von Britten verwendete zweite Kammerorchester spielte unter dem amerikanischen Co-Dirigenten Daniel Spaw überaus facettenreich. Man hörte einfach aus jedem Takt heraus, dass diese Aufführung für alle eine Herzensangelegenheit war.

Britten nutzt in diesem Requiem bekanntlich nicht nur die lateinischen Texte, sondern auch Verse des im Ersten Weltkrieg gefallenen britischen Dichters Wilfred Owen. Die Gestaltung durch den britischen Tenor James Gilchrist und den deutschen Bariton Erik Sohn gelang ebenfalls hervorragend. Jede Zeile wurde mit erschütternder Deklamation gestaltet, aber auch mit der nötigen Neutralität des Rezitators.

Die Begegnung zweier Erzfeinde ganz am Schluss, die zu Brüdern und Freunden werden, fasst die Kernaussage dieses „War Requiem“ konzentriert zusammen. In dieser rundweg überzeugenden Interpretation fiel allein der unstete Sopran von Banu Böke etwas ab. Vielleicht war sie einfach zu weit hinten im Orchester platziert.

Der tosende Schlussapplaus nach einigen Schweigesekunden bewies, dass die Botschaft in der ausverkauften Philharmonie ankam.

100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 ist Brittens Plädoyer nach wie vor aktuell. Im Programmbuch zu lesen war daher ein Text des türkischen Exil-Schriftstellers Dogan Akhanli zur aktuellen „Kriegshysterie“ in seiner Heimat.

Vorurteile in den Köpfen der Mitmenschen

Doch nicht nur wegen der Krisen in der Welt, sondern auch wegen neuer „nationalistischer Tendenzen“ innerhalb Europas sei Britten aktuell, betonte in einem Vorwort Martin Füg, Vorsitzender des Bach-Vereins. Britten ging es nicht nur um reale Kriege, sondern auch um Vorurteile in den Köpfen seiner Mitmenschen. Daran kann man auch im friedlichen Europa noch arbeiten.

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