Videonale-Parcours Bonn zeigt sich von seiner künstlerischen Seite

Bonn · Der abwechslungsreiche Videonale-Parcours führt durch sechs Institutionen der Stadt Bonn: Zwischen Künstlerforum und Gesellschaft für Kunst und Gestaltung, Schaumburg und Fabrik 45, S.Y.L.A.NTENHEIM und Dialograum der Kreuzung an St. Helena.

Wenn die Scouts von Gucci auf Zack wären, würde sie der Weg in die Bonner Schaumburg im Schatten der Victoriabrücke führen, nicht unbedingt die Schokoladenseite der Bundesstadt. Rosanna Graf und Paulina Nolte zeigen in diesem bizarren Ensemble auf zwei einander zugewandten Projektionsflächen die Videoinstallation „Gucci Cruise“, die sich direkt, witzig und äußerst ironisch auf die 2017er Kollektion des Modeimperiums bezieht. Die Künstlerinnen selbst sind zu sehen, die eine herrschaftlich auf dem Sofa, die andere kauernd davor. Ein fesselnder Dialog kommt in Gang. Toll gespielt, mit einem Gefühl für Spannung und Timing inszeniert. Das Publikum steht in der Mitte und staunt.

Nicht der einzige Beitrag des von Sonja Wunderlich und Lisa Bosbach kuratierten Videonale-Parcours, der sich zwischen Künstlerforum und Gesellschaft für Kunst und Gestaltung, Schaumburg und Fabrik 45, S.Y.L.A.NTENHEIM und Dialograum der Kreuzung an St. Helena entspinnt. Der Bonner Kunstverein – quasi die Wiege der Videonale – ist unverständlicherweise nicht dabei. Michelle Cotton, Direktorin des Bonner Kunstvereins, sagte gegenüber dieser Zeitung: „In meiner letzten E-Mail an Tasja Langenbach habe ich vorgeschlagen, dass der Kunstverein Gespräche oder Filmvorführungen zeigen könnte“, ein vertiefendes Treffen habe es jedoch nicht gegeben. „Der stadtübergreifende Parcours ist eine tolle Initiative und eine schöne Möglichkeit, die reichhaltige Vielfalt von Kunstorten die Bonn zu bieten hat zu erkunden“, sagte sie, „ich hoffe, dass wir beim nächsten Mal wieder dabei sein werden“.

Laut Videonale-Chefin Langenbach war der Kunstverein „mehr an Formaten wie Screenings oder Gesprächen“ interessiert, „für die wir von Seiten der Videonale in diesem Jahr keine Inhalte anbieten konnten“. „Wir freuen uns aber, wenn wir zur nächsten Videonale oder auch zu anderen Gelegenheiten wieder mit dem Kunstverein kooperieren können.“

16 Studierende der Kunsthochschule für Medien Köln, der Hochschule für bildende Künste Hamburg und der Hochschule für Gestaltung Offenbach zeigen sich von der besten Seite – und völlig frei, denn sie mussten sich weder dem Videonale-Motto „Perform!“, noch dem Genre Video unterwerfen. Was nicht bedeuten soll, dass nicht etliche mit Film arbeiten. Tina Rietzschel etwa nimmt den Besucher mit auf eine Fahrt auf dem Rio Maddalena in Kolumbien. Drei Projektionen, vorne, links, rechts und Kommentare bieten einen spannenden Einblick in Mythen, Geschichten und aktuelle Lebenswelten. Stilecht sitzt der Zuschauer in einem Boot.

Eine Erkundung anderer Art bietet Walter Solon mit seinem einfühlsamen Porträt des Tänzers Valentin Tszin, „Detachment Missions“. Identifikation und Bewegung spielen auch eine Rolle in Arootin Mirzakhanis Video-Studie „(to) conceive“, in der sich der Künstler selbst in Posen seiner Körperlichkeit bewusst wird und freimütig mit Rollenklischees spielt. Ein Hauch von „Trainspotting“ umweht Daniel Hopps abgedrehte filmische Milieuanalyse „Paradies“, die dem eher öden Leben eines Pärchens in einer Plattenbausiedlung folgt. Reality-TV, Kunstperformance oder Inszenierung? Auf einem abgewetzten Sofa sitzend, kann man selbst der Fragen nachgehen.

Unterwegs im Selbstmörderwald

Fragen stellt ebenfalls die mehrteilige Fotoarbeit „Between Frames“ von Linda Lebeck, die sich mit einer stillen, sehr konzentrierten Bildsprache den Möglichkeiten und Grenzen des Porträts nachgeht. Robert Schittko war in einem schicksalshaften Wald unterwegs: Der Aokigahara am Fuß des Fuji-Berges in Japan, „der Ort der Transzendenz“ (Schittko) zieht Lebensmüde förmlich an. Paare flüchten sich in diesen Wald, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Plakate und Schilder warnen davor.

Schittkos Installation vermeidet jeglichen Voyeurismus, vermittelt lediglich die Schönheit, Fragilität und Gefährlichkeit des Ortes. Für Wagehe Raufis Arbeit „basic blow up“ muss man mit Taschenlampen auf die Suche gehen: Sie hat unzählige Fragmente aus 3D-Scans ihres Körpers in digitale Frames transferiert und zeigt sie als unregelmäßige, gewellte und bedruckte Hüllen aus thermoplastischer Folie.

Wildes Hecheln empfängt den Besucher von Sara Hoffmanns winzigem Raum, den das Video einer aufgerissenen Hundeschnauze mit hechelnder Zunge dominiert. Der Sound von „Dash#02“ wird ohrenbetäubend aus Lautsprechern übertragen.

Eine der spannendsten Arbeiten des hochkarätigen Parcours' ist der Film von Shabnam Azar, die darin eigene biografische Erfahrungen verarbeitet. 2009 musste die als „subversive Person“ gebrandmarkte Journalistin und Autorin ihre Heimat Iran verlassen. Ihr Film „I'm a Subversive Person“ spiegelt mit Google-Street-View-Aufnahmen das Klima eines Überwachungsstaats. Unheimliche Kräfte wirken auch in den wunderbaren kinetischen Objekten von Carolin Liebl und Nikolas Schmid-Pfähler: Da bewegt sich ein Elektrostecker mit seinem Kabel selbstständig in einer braunen Pfütze, und ein Objekt aus Kupferspulen und Magneten vollführt eine bizarre Choreografie. Alles ist in Bewegung.

Verena Buttmann war schon mit ihrer Lesung in der Fabrik 45 aktiv, Nele Müller wird dort am 11. März ihre Performance „The Sky Is The Limit“ zeigen. Zeit zum Ausruhen ist nicht, auch nicht auf den weißen Meditationskissen, die Nina Zeljkovic verführerisch ausgelegt hat: Die sind aus zerbrechlichem Porzellan – und die Meditation ist auch keine Entspannung, sondern schärfster Wettbewerb.

Videonale-Parcours durch sechs Orte der Stadt, bis 12. März. Mi-Fr 15-18, Sa 14-17, So 11-17 Uhr. Informationen: www.videonale.org

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