Schauspieler Peter Lohmeyer im Interview Auf einen Whiskey mit Bukowski

BONN · Der Schauspieler und Sänger Peter Lohmeyer gestaltet mit dem „Club der toten Dichter“ im Haus der Springmaus einen Abend für den radikalen amerikanischen Poeten Charles Bukowski.

 Peter Lohmeyer über sein Hobby: „Beim Fußball spiele ich jede Position, aber irgendwann gehe ich auf den rechten Flügel – entgegen meiner politischen Haltung, aber von da kann ich super Flanken schlagen“

Peter Lohmeyer über sein Hobby: „Beim Fußball spiele ich jede Position, aber irgendwann gehe ich auf den rechten Flügel – entgegen meiner politischen Haltung, aber von da kann ich super Flanken schlagen“

Foto: picture alliance / dpa

Das Literatur-Musik-Projekt „Club der toten Dichter“ um Bandleader Reinhardt Repke hat zusammen mit Schauspieler Peter Lohmeyer („Das Wunder von Bern“) ausgewählte Gedichte von Bukowski neu vertont – und geht damit auf Tournee. Am 1. April gastiert die Truppe im Haus der Springmaus. GA-Autor Hagen Haas traf den Fußballfan Peter Lohmeyer zum Interview im Springmaus-Bistro. Der 55-Jährige ist entspannt, trägt eine graue Wollmütze auf den millimeterkurz rasierten Haaren und genießt grüne Weintrauben.

GA: Herr Lohmeyer, stellen Sie sich vor, Sie wären Produktionsdesigner für einen Kinofilm über Charles Bukowski. Wie würden Sie sein Wohnzimmer gestalten?

Peter Lohmeyer: Ein altes, abgewetztes Ledersofa. Viele Bücher, die übereinander liegen. Ein Tisch, voll mit Manuskripten, Schreibmaschine. Und vergilbte Wände vom Rauchen. Klingt ein bisschen klischiert, aber wenn man das Klischee richtig bedient, dann stimmt das Klischee.

GA: Und ein paar Flaschen aus dem Getränkefachhandel?.

Lohmeyer: Ja, sowieso. Müller-Thurgau hat er zuletzt getrunken. Vorher immer dieses Büchsenbier. Aber ich glaube, am Ende war er sozusagen nur noch auf Müller-Thurgau. (lacht)

GA: Gibt’s bei Ihnen Alkohol auf der Bühne?

Lohmeyer: Das kann ich gar nicht. In der Pause mal ein Glas Rotwein, das ist alles. Nach der Vorstellung trinken wir alle zusammen einen, das ist ja normal.

GA: Wie sah Ihre erste Begegnung als Leser mit Bukowski aus?

Lohmeyer: Ich glaube, das war bei Freunden in einer WG. Na ja, wir haben was getrunken, ich war bei denen auf dem Klo, da lag ein Gedichtband. Und dann sitzt man da – und liest. Damals habe ich gedacht, ich hätte alles verstanden – aber das ist bei Lyrik eine kühne Behauptung.

GA: Wie meinen Sie das?

Lohmeyer: Man muss sich mit einem Gedicht länger beschäftigen. Das war jemand, der die Welt anders sah als ich.

GA: Bukowski auf dem Klo – ziemlich stimmig, oder?

Lohmeyer: Passt! Ich muss aber auch sagen: Bei Bukowski hat jeder eine andere Erwartung oder Haltung. Vordergründig ist bei ihm natürlich die Erwartung: Saufen, Absturz, Sex. Doch Reinhardt Repke vom Club der toten Dichter hat viele andere Aspekte gefunden. Sachen, die Bukowski eben auch geschrieben hat.

GA: In dem „Club“ wurden bislang Heine, Rilke oder Schiller im Konzert behandelt. Jetzt also ein Outlaw wie Bukowski. Eine neue Ära im Club?

Lohmeyer: Mal sehen, wie sie weitermachen. Wenn ich wegen Schiller gefragt worden wäre, hätte ich es auch gemacht. Ich hatte diese Klassiker schon am Theater, aber mit Bukowski gab es noch keine solche Begegnung.

GA: Haben Sie sich selbst einmal als Outlaw gefühlt?

Lohmeyer: Es ging mir immer darum, eine Haltung zu haben. Ich war auf dem Dortmunder Stadtgymnasium, eine sehr konservative Einrichtung. Meine politische Gesinnung war und ist immer noch schwer auf der linken Seite. Da haben wir uns für eine Demo alle hingestellt und „Das Kapital“ hoch gehalten. Ich hatte auf meiner roten Daunenjacke „Red Rat“ stehen – rote Ratte. Und auf meinem Motorradhelm stand „Schieß doch, Bulle!“

GA: Was wollten Sie bei dem Bukowski-Projekt unbedingt vermeiden?

Lohmeyer: Ich bin nicht Bukowski – und kein Bukowski-Darsteller. Da musst du deinen eigenen Weg finden. Mich interessiert das Zusammenspiel mit den Kollegen und dem Publikum.

GA: Im Pressetext steht: „Lohmeyer ist gern melancholisch, ja, er badet geradezu darin.“ Was sagen Sie dazu?

Lohmeyer: Wenn ich melancholisch bin, spiele ich das nicht. Dann ist das so. Manchmal reißt mich die Melancholie mit. Du darfst dich in deiner Melancholie nur nicht so toll finden, dass du dabei vergisst, deine Geschichte weiter zu erzählen.

GA: In welcher Atmosphäre fühlt man sich als Schauspieler wohl?

Lohmeyer: Wenn ich Kollegen habe, die zuhören. Das ist die wichtigste Vokabel in unserem Beruf, auch in unserem Leben. Von Brecht stammt der Satz: „Wir sind viel zu sehr damit beschäftigt, Fehler zu vermeiden, als sie zu machen.“ Wenn man also kein Risiko eingeht, ist das für mich eine sinnlose Arbeitssituation. Dann dreht man sich im Kreis, und das interessiert mich nicht.

GA: Sie spielen seit 2012 bei den Salzburger Festspielen im „Jedermann“ den Tod. Wie erleben Sie ein solch kulturelles und gesellschaftliches Großereignis?

Lohmeyer: Die Salzburger Festspiele habe ich früher verteufelt – als elitäre Veranstaltung. Bis ich dann selber mal dort war und gesehen habe, was das für eine Veranstaltung sein kann.

GA: Das heißt?

Lohmeyer: Ich hatte mich damals bei den Veranstaltern gemeldet und gesagt, da will ich mitmachen – nachdem ich gelesen hatte, dass der englische Regisseur Julian Cronch inszenieren würde. Wir haben das Projekt gemeinsam erarbeitet: Wir ziehen vorher durch die Stadt und nehmen Salzburg quasi mit. Als würde eine Band vor dem Konzert noch zum Türken essen gehen und dort schon Musik machen. Bevor wir dann am Dom vor 2500 Leuten das Stück spielen.

GA: Kommen wir zum Fußball. Wenn Sie eine Zeitmaschine hätten – in welches historische Spiel würden Sie sich beamen?

Lohmeyer: Gegen Italien und gegen England, diese beiden Spiele bei der WM 1970 in Mexiko hätte ich gern live gesehen. Da war ich acht Jahre alt. Das wäre total spannend gewesen.

GA: Warum sind Sie Schalke-Fan?

Lohmeyer: Angefangen hat es, als ich bei Fichte Hagen Handball gespielt habe, wir hatten blaue Trikots. Hätten wir gelbe Trikots gehabt, wär’s ein anderer Verein geworden. Ich bin immer bei Blau geblieben. Und habe mitgelitten. Bundesliga-Skandal, vergebene Meisterschaften.

GA: Spielen Sie noch Fußball?

Lohmeyer: Ja, klar. Jeden Sonntag im Park. Im Winter vier gegen vier, im Sommer elf gegen elf.

GA:Welche Position?

Lohmeyer: Jede Position, aber irgendwann gehe ich auf den rechten Flügel. Entgegen meiner politischen Haltung. Von da kann ich super Flanken schlagen.

GA: Finale mit Bukowski: Wenn Sie ihn an einer Hotelbar träfen, welchen Drink würden Sie ihm spendieren?

Lohmeyer: Hotelbar, das heißt Whiskey.

GA: Was würden Sie ihn fragen?

Lohmeyer: Ich würde ihn fragen, wie das war, bei der Post zu arbeiten. Briefe sortieren und austragen. Und wie man es schafft, nach der Arbeit noch so viel zu schreiben.

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