ARD-Musikwettbewerb Auch das Publikum hatte er auf seiner Seite

Bonn · Der Bonner Pianist Fabian Müller über seinen sensationellen Erfolg in München. Neben dem zweiten Platz in der Jury-Wertung erhielt er für seine Interpretation von Beethoven Klavierkonzert Nr. 3 auch den Publikumspreis.

 Fabian Müller nach seinem Auftritt mit einem Mozart-Klavierkonzert im Semifinale des ARD-Musikwettbewerbs in München.

Fabian Müller nach seinem Auftritt mit einem Mozart-Klavierkonzert im Semifinale des ARD-Musikwettbewerbs in München.

Foto: Daniel Delang

Das hatte es in diesem Jahrtausend noch nicht gegeben, dass es ein deutscher Pianist bis ins Finale beim ARD-Musikwettbewerb in München schafft. In diesem Jahr aber wurde der Bann endlich gebrochen, von dem jungen Pianisten Fabian Müller aus Bonn (der GA berichtete). Der 27-Jährige holte in diesem Wettbewerb, der weltweit zu den renommiertesten zählt, Silber, wie man im Sport sagen würde. Neben dem zweiten Platz dokumentieren der Publikums- und drei weitere Sonderpreise seine Ausnahmestellung in diesem Wettbewerb.

„Ich bin selbst noch ganz überwältigt“, gesteht Müller, der eine Woche nach dem erfolgreichen Finale, dem ein paar Tage später noch ein Preisträgerkonzert folgte, wieder daheim in Bonn ist. Freilich nicht, um die Füße hochzulegen, sondern um das zu tun, was er am besten kann: Klavierspielen. Heute Abend ist er zu Gast beim Beethovenfest und stellt im Schumannhaus ein anspruchsvolles romantisches Programm vor. Es war das erste ausverkaufte Konzert des aktuellen Festivals.

Erst kürzlich hatte der frühere Beethovenfest-Chef Franz Willnauer in einem Programmheftbeitrag für das Bonner Festival noch beklagt, dass es in der Generation der 20-30-Jährigen keine Deutschen in der ersten Reihe der internationalen Pianistenszene gebe (mit Ausnahme des von ihm dann porträtierten Alexander Krichel). Müller teilt diese Erfahrung. Ab dem Semifinale seien außer ihm nur Pianisten aus Asien dabei gewesen, erzählt er. Dass sie ihr Handwerk beherrschen, zeigt schon die Repertoireauswahl fürs Finale im Herkulessaal. Müllers Konkurrenten Wataru Hisasue aus Japan und JeungBeum Sohn aus Südkorea hatten beide das Konzert-Schlachtross für Virtuosen schlechthin vorbereitet: Peter Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll. Müller hingegen brachte aus Bonn das dritte Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven mit. Ein bisschen scheint das ein Kampf David gegen einen doppelten Goliath zu sein. Auf Müller wirkte das jedoch nicht wirklich einschüchternd: „Eigentlich habe ich mich damit sehr gut gefühlt“, kommentiert er die Situation rückblickend, irgendwie „konkurrenzlos“, weil man Beethoven und Tschaikowsky nicht wirklich vergleichen könne. „Die beiden Asiaten sind großartige Musiker, pflegen aber eine ganz andere Spielkultur als ich“, sagt er. „Ich habe mich neben Tschaikowsky gar nicht bedroht gefühlt. Aber womit ich überhaupt nicht gerechnet hätte, ist, dass ich mit dem Beethoven den Publikumspreis kriegen würde. Das hat mich echt überrascht.“ Schon aus diesem Grund ist er nicht enttäuscht, dass die Jury unter Vorsitz des Italieners Bruno Canino ihn auf dem zweiten Platz hinter dem Koreaner JeungBeum Sohn sah. Es sei ein tolles Publikum gewesen, sagt Müller, aufmerksam und neugierig. „Man hat schon gemerkt, dass Beethoven da einen hohen Stellenwert genießt.“

Eine der Besonderheiten des ARD-Musikwettbewerbs ist dessen Bandbreite, was Müller als positive Erfahrung verbucht. Es handelt sich nicht um einen speziellen Klavierwettbewerb, gleichzeitig gingen auch andere junge Instrumentalisten ins Rennen, Violine war dabei, Gitarre, auch Oboe. „Man wohnt zusammen in einem Haus, es wird viel ganz unterschiedliche Musik gemacht“, sagt er. Auch dass schon vor dem großen Finale mit dem BR Symphonieorchester (Müller: „Ein Traum!“) mit Kammerorchester musiziert wird, sieht er als großes Plus des ARD-Musikwettbewerbs. Und dennoch wirke es nicht so elitär. „Aber ich war auch furchtbar aufgeregt. Als ich den Einzug ins Finale geschafft habe, kamen so viele Nachrichten und Glückwünsche, und im Finale selbst den Live-Stream im Rücken zu haben, wirkt auch nicht gerade beruhigend auf die Nerven. Du weißt: Alle gucken sich das an.“ Über das Finale sagt er: „Der Tag war einer der härtesten meines Lebens. Auch weil die Probe noch sehr gemischt lief...“

Sieben Stunden täglich am Klavier

Dass Müller, der bei Rose Marie Zartner in Bonn Unterricht nahm und bereits mit 15 Jahren sein Studium an der Musikhochschule Köln bei Pierre-Laurent Aimard und Tamara Stefanovich begann, überhaupt mitmachen würde, war eine Entscheidung buchstäblich in letzter Sekunde vor Ende der Bewerbungsfrist. Das bedeutete freilich, dass die Sommermonate aus nichts anderem als Schlafen und Üben bestehen würden. Sieben Stunden habe er täglich am Klavier gesessen. Und noch eine Extrastunde für das zeitgenössische Pflichtstück oben drauf gelegt, erzählt der junge Pianist.

Trotz des Pensums und der Sicherheit, die sich dadurch erarbeitet hat, sind die Wettbewerbsauftritte dann noch einmal eine besondere Herausforderung. Wenn man nervös und gestresst sei, sagt Müller, habe man immer das Bedürfnis, zu kontrollieren, ob die Stücke wirklich sitzen. „Mit der Zeit lernt man aber, dass das unmöglich ist. Man kann eigentlich nur den Absprung wagen. Und das funktioniert dann – oder nicht. Dafür muss man sich aber voll einbringen und loslassen können.“ Und obwohl Fabian Müller schon einige Wettbewerbe gespielt (darunter die Beethoven Competition der Telekom) und gewonnen hat (den Prix amadéo de piano in Aachen), ist die Teilnahme längst noch nicht Routine geworden.

Und wird es wohl auch nicht mehr werden. Mit dem Erfolg in München will Müller für sich nun das Kapitel Wettbewerbe abschließen und sich auf den künstlerischen Aspekt des Musizierens konzentrieren. Zum Beispiel mit einer eigenen Kammermusikreihe in der Endenicher Trinitatiskirche, die er dort parallel zu den von seinem Vater, Pfarrer Burkhard Müller, etablierten „Trimolo“-Konzerte ins Leben rufen möchte. Nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung. Los gehen die „Bonner Zwischentöne“ bereits am 5. November, 18 Uhr, bei freiem Eintritt mit dem Vision String Quartet und Fabian Müller selbst am Klavier. Ihm geht es nicht darum, nun auch als Veranstalter Erfolg zu haben, sondern ausschließlich darum Musik zu machen. Und wenn dann noch ein paar Leute zuhören – um so besser.

Videos vom Wettbewerb im Internet unter br-klassik.de.

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