Ausstellung in Köln Anja Niedringhaus im Käthe Kollwitz Museum

Köln · Das Käthe Kollwitz Museum in Köln erinnert an die Kriegsfotografin Anja Niedringhaus. Sie lieferte dramatische Impressionen aus den Konflikten der Welt.

 Kindheit unter Waffen: Anja Niedringhaus' Foto aus Kabul, September 2009. FOTO: ANJA NIEDRINGHAUS/AP

Kindheit unter Waffen: Anja Niedringhaus' Foto aus Kabul, September 2009. FOTO: ANJA NIEDRINGHAUS/AP

Foto: Niedringhaus

Nicht nur die Vertreter der Medien waren bestürzt, als sie erfuhren, was am 4. April 2014, also vor ziemlich genau fünf Jahren, in der afghanischen Provinz Chost geschah: An einem Stützpunkt der Sicherheitskräfte stürzte ein Polizist mit „Allahu Akbar“-Rufen auf den Wagen der Fotoreporterin Anja Niedringhaus zu, feuerte wie wild. Die 48-Jährige war sofort tot, ihre Kollegin wurde schwer verletzt.

Eines der eindringlichsten Exponate der Ausstellung „Anja Niedringhaus – Bilderkriegerin“, mit der das Käthe Kollwitz Museum Köln an die Fotografin erinnert, ist eine Canon EOS 5D (Mark III). Niedringhaus' Kamera. Wer genau hinsieht, erkennt ein Einschussloch neben dem Sucher, ein weiteres Projektil zertrümmerte den Spiegel der Canon. Der Chip blieb erhalten und so auch die letzten Fotos, die Niedringhaus für die Agentur AP vom afghanischen Präsidentschaftswahlkampf schoss.

Von diesen Fotos bis zu einem schönen Schwarz-Weiß-Bild aus Südamerika, das 1989 entstand und das Niedringhaus mit dickem Eddingstift signierte und mit „Der Anfang“ beschriftete, erstreckt sich ein beeindruckendes, gewaltiges und großes Oeuvre. Mit 100 Bildern zeige die Schau einen sehr kleinen, aber repräsentativen Ausschnitt aus dem Werk, sagte die Kuratorin Sonya Winterberg, die auch an einer 90-minütigen ZDF-Doku über Niedringhaus arbeitet, am Donnertag vor der Presse.

An den Brennpunkten der Weltgeschichte war sie mit der Kamera unterwegs: in Sarajewo und in Kabul, in Bagdad und Kandahar, in Falludscha, Libyen und Kuwait, auch am Ground Zero nach den Attentaten in New York.

Impressionen aus den Konflikten der Welt

Niedringhaus wusste offenbar, was die Agenturen und Zeitungen von ihr erwarteten, lieferte dramatische Impressionen aus den Konflikten der Welt: Blauhelme im Kugelhagel von Heckenschützen, Kriegsflüchtlinge, Marines im Häuserkampf, Verletzte und Erschossene. Hier dokumentierte sie ihr überragendes Timing und ihren Mut, immer in vorderster Front mit der Kamera dabei zu sein. Was nicht den unglücklichen Untertitel der Schau „Bilderkriegerin“ rechtfertigt, denn sie war im Innersten Pazifistin, hat nur vom Krieg berichtet.

Was Niedringhaus auszeichnet, ist zum einen die große Empathie, mit der sie sich den Opfern des Krieges widmete, ob es nun die Kinder sind, die den US-Marines ungläubig-bewundernde oder auch angstvolle Blicke zuwerfen, die verhärmten Besucher einer Kabuler Moschee, die verstörten Frauen, wenn im Zuge einer Razzia schwer bewaffnete Soldaten ins Haus kommen.

Es sind aber auch die Blicke von Soldaten – der Verwundete mit dem Rosenkranz in der Hand, die blutjungen Marines, die mit nacktem Oberkörper und Maschinengewehren in der Hand fürs Erinnerungsfoto posieren – die Niedringhaus interessierten.

Faszinierend sind aber die Bilder, in denen sie versucht, die vermeintliche Normalität im Wahnsinn des Krieges zu zeigen, wie sie sich eigentlich nur im Spiel der Kinder manifestiert. Hier gelingen Momentaufnahmen, die in Timing, Komposition und Kolorit Ihresgleichen suchen.

Dass Niedringhaus auch eine exzellente Sportfotografin war, ist nicht so geläufig. Die Schau zeigt einige wenige, tolle Beispiele, etwa vom Centre Court in Wimbledon. Dort fragte sie einmal ein Kollege: „Warst du letzte Woche in Roland Gaross?“ Sie: „Nein, in Afghanistan“. Er: „Ach, wird da auch Tennis gespielt?“

Gerade bei der Sportfotografie kam Niedringhaus ihr sicheres Gespür für den richtigen Augenblick zugute. Sie hat den Sport gemocht: „Im Sport gibt es einen Start und ein Ziel. Im Krieg endet die Geschichte nie. Sie holt mich immer wieder zurück.“

Die Ausstellung „Anja Niedringhaus – Bilderkriegerin“ läuft bis zum 30. Juni im Kölner Käthe Kollwitz Haus und ist dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Im Wienand Verlag ist der ausgezeichnete Katalog erschienen (22 Euro). Am fünften Todestag der Fotografin, 4. April, berichten Sonya und Yury Winterberg um 18.30 Uhr in der Reihe „Talk im Forum“ von ihren Recherchen zu Anja Niedrighaus.

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