Zum Tod von Roger Cicero Abschied von einem Gentleman

Bonn · Die Nachricht vom frühen Tod des Jazzmusikers Roger Cicero im Alter von 45 Jahren hat große Bestürzung unter Fans und Kollegen ausgelöst. Gerade wollte „Mr. Swing“ wieder auf große Tour gehen.

Roger Cicero war gerade angekommen. Bei sich. Bei seinen Wurzeln, wie er kürzlich sagte, dem Jazz. Auf dem Zenit des Erfolgs, noch mal angefeuert durch seine Teilnahme an Xavier Naidoos Musikprojekt „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“, kehrte der Künstler vor zwei Jahren zurück: Sein Herz gehörte eben dem „Abenteuer Jazz“.

Sarah Connor begann auf Deutsch zu singen, Roger Cicero hörte damit auf. Dabei war er vor allem durch die poppigen Bigband-Jazznummern mit frechen deutschen Texten bekannt geworden. Mit „Frauen regier’n die Welt“ belegte er beim Eurovision Song Contest 2007 zwar nur einen hinteren Rang, der Song brachte ihm aber einen nationalen Erfolg.

Roger Cicero, der in der kommenden Woche mit seine längst ausverkaufte Tour fortsetzen wollte, ist, wie am Dienstag bekannt wurde, am vergangenen Donnerstag völlig überraschend 45-jährig an den Folgen eines Hirninfarktes verstorben. Er hinterlässt einen Sohn, von der Mutter des Kindes hatte er sich vor drei Jahren getrennt.

Am 22. April hätte The Roger Cicero Jazz Experience beim Jazzfest Bonn auftreten sollen. „Wir sind sehr traurig und fassungslos. Roger Cicero war ein liebenswerter Mensch und großartiger Musiker. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie“, sagte der Leiter des Jazzfest Bonn, Peter Materna.

Er hatte Cicero als 18-Jährigen kennengelernt, als beide bei Peter Herbolzheimers Bundesjazzorchester (BuJazzO) spielten. Die Bonner Konzertgäste bittet Materna, „uns ein paar Tage Zeit zu geben. Sehr gerne würden wir diesen herausragenden Jazzmusiker in besonderer Weise ehren. In den kommenden Tagen wissen wir mehr“. Nähere Informationen wird es auf der Homepage des Jazzfest Bonn geben.

Erschüttert ist auch Julia Hülsmann. Die mehrfach ausgezeichnete Jazzpianistin hat mit Roger Cicero vor zehn Jahren das wunderbare Album „Good Morning Midnight“ herausgebracht, eine jazzige Vertonung der Lyrik von Emily Dickinson – vielleicht ein Projekt, an das Cicero jetzt mit seiner Band Jazz Experience anknüpfte. „Tragisch“, sagt Hülsmann, die damals der Produzent Siggi Loch mit Cicero zusammengebracht hatte. Sie erinnert sich an den „wahnsinnig disziplinierten Menschen“, der „einfach ein netter Mensch war im tatsächlichen Sinne, sehr easy in der Zusammenarbeit“.

„Easy“ war es für den Sohn des Jazzstars Eugen Cicero sicher nicht immer. Klavierunterricht mit vier Jahren, als Zwölfjähriger wurde er als „Wunderkind“ auf Bühnen präsentiert, trat im Vorprogramm der Chansonsängerin Helen Vita auf. Eugen Cicero, aus Rumänien stammender Pianist, auch für seine Mozart- und Schubert-Interpretationen bekannt, war eine Vaterfigur, die wie ein Monument über dem zart gebauten Roger ragte.

Mit 18 Jahren spielte er als Solist im BuJazzO, mit 20 tourte er mit dem Rias-Tanzorchester unter Leitung von Horst Jankowski, mit der Berliner Band Soulounge veröffentlichte er zwei Alben.

Vor zwei Jahren stellte Cicero sein feines Projekt „Jazz Experience“ bei den Leverkusener Jazztagen vor. Als CD erschien „The Roger Cicero Jazz Experience“ erst im Oktober 2015 und gerade erst als Vinyl-Scheibe. Im November 2015 brachte er auch noch das Album „Cicero sings Sinatra“ heraus. Als er kurze Zeit danach wegen eines akuten Erschöpfungssyndroms mit Verdacht auf Herzmuskelentzündung alle Termine bis Ende des Jahres absagen musste, überraschte das in seinem Umfeld kaum jemanden. Zu viele Termine, zu viele Konzerte, zu viele Verpflichtungen. Cicero galt als Arbeitstier, als Perfektionist.

„Jazz stand für mich vor allem für Freiheit. Die Fährte meiner frühen musikalischen Wurzeln wiederaufzunehmen, schien mir lange verlockend“, sagte er letztes Jahr. Und bei den Leverkusener Jazztagen im November 2013 erlebte man ihn mit diesem Programm außergewöhnlich befreit. Die Zeilen flossen nur so aus ihm heraus. Auf „Moody's Mood“ spielte er die ganze Bandbreite seiner stimmlichen Klasse aus. Es ist ja eher der Jazz der vierziger bis sechziger Jahre, die ihn geprägt haben, er wuchs mit den eleganten Klavierlinien von Erroll Garner und Oscar Peterson auf.

Cicero war der Mann mit dem Hut, der immer tadellos gekleidete Entertainer, der für die erwachsenen Gefühle zuständig war, mehr für Ausgleich stand und sich auch für den Mainstreamjazz nicht zu schade war, bei dem Ausbrüche eher kontrollierter Natur waren, Leidenschaft hatte seine Grenzen – wie bei einem wahren Gentleman eben.

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