Konzert Abschied mit einem Paukenschlag

Bonn · Stefan Blunier dirigiert Hans Pfitzners Kantate „Von deutscher Seele“ bei seinem Finale als Bonner Musikchef.

 OB Ashok Sridharan verabschiedet Stefan Blunier (links).

OB Ashok Sridharan verabschiedet Stefan Blunier (links).

Foto: Reifenberg

Stefan Blunier verabschiedet sich mit einem Paukenschlag: Für sein letztes Konzert als Chef des Beethoven Orchesters Bonn (BOB) hat sich der Dirigent Pfitzners romantische Kantate „Von deutscher Seele“ ausgesucht – eine 1921 erschienene Vertonung von Texten Joseph von Eichendorffs, die gern als deutschtümelnd und nationalistisch gebrandmarkt wird. Nicht nur wegen ihres Titels, sondern vor allem deshalb, weil der Komponist Hans Pfitzner heute mehr im Kontext seines unverblümten Antisemitismus, seiner Nähe zu NS-Ideologie und Nazi-Größen beurteilt wird als nach seiner Musik.

Mit dem Titel der Eichendorffiana für vier Solisten, Chor und großes Orchester hat Pfitzner selbst sich schwer getan: „Ich habe ihn gewählt, weil ich keinen besseren zusammenfassenden Ausdruck fand für das, was an diesen Gedichten an Nachdenklichem, Übermütigem, Tiefernstem, Zartem, Kräftigem und Heldischem zur deutschen Seele spricht.“ Aus heutiger Sicht handeln Eichendorffs Texte von der Unsicherheit als integralem Bestandteil menschlichen Lebens.

Pfitzner hat dafür eine Musiksprache gefunden, die avancierte kompositorische Mittel mit großer Expressivität verbindet. Wunderbar melodisch ist „Von deutscher Seele“, harmonisch kühn und raffiniert instrumentiert, gegliedert durch ausgedehnte, atmosphärisch dichte Zwischenspiele des Orchesters. Und das gut anderthalbstündige Werk verlangt den Aufführenden einiges ab: Vom Dirigenten fordert es ein hohes Maß an Integrationsfähigkeit und Übersicht, von den Orchestermusikern solistische Qualitäten, vom Chor maximale Konzentration und Disziplin und von den Gesangssolisten ein enormes stimmliches Potenzial.

All das steht Stefan Blunier in der Beethovenhalle zur Verfügung. Mit dem groß besetzten BOB plus Orgel gelingen ihm durchsichtige lyrische Partien wie etwa das Zwischenspiel Abend-Nacht mit seinem quasi-religiösen Choral ebenso klangsinnlich wie die großen apotheotischen Aufschwünge am Ende des ersten Teils („Ein andrer König“) und im gewaltigen Schlussgesang. Der von Paul Krämer perfekt einstudierte Philharmonische Chor der Stadt Bonn überzeugt mit präsenten Stimmen und differenzierten Stimmungen; zauberhafte Soli von Flöte, Klarinette, Horn, Harfe und Violine beschwören die romantische Gefühls- und Bilderwelt einer versunkenen Epoche noch einmal herauf. Bei den Solisten verströmt Maria Bengtsson den meisten Glanz; ihr Sopran spricht in den höchsten Lagen ganz leicht an und überstrahlt auch im Pianissimo alle anderen („Die Lerche“).

Michaela Schusters Alt besticht durch ein helles, aber volltönendes Timbre, schöne Führung und ein großes Ausdrucksspektrum, der Tenor von Thomas Mohr entfaltet echte Heldenqualitäten, und auch der kurzfristig für Albert Pesendorfer eingesprungene Bass Manfred Hemm trägt zum erfreulichen Gesamtbild des Solistenquartetts bei. Stefan Blunier hat sein letztes Programm am BOB-Pult trotz aller Vorbehalte klug gewählt und feiert seinen Ausstand mit einem wahren Klangfarbenrausch. Die voll besetzte Beethovenhalle dankt es ihm mit stehenden Ovationen.

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