Tanz den Tango „Tanguera“ in der Kölner Philharmonie

Köln · Die Show „Tanguera“ in der Kölner Philharmonie glänzt zum Abschluss des Sommerfestivals. 90 Minuten rasante Drehungen, Schrittfolgen und Sprünge

Der Hafen von Buenos Aires. Die meisten Passagiere sind schon von Bord gegangen, als eine schüchterne junge Frau in einem einfachen blauen Mantel auf die Gangway tritt, den Koffer mit ihren Habseligkeiten in der linken Hand. Giselle (Melody Celatti) – die junge Französin, die mit einer der ersten Einwanderungswellen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die argentinische Metropole kommt – wird dort schon erwartet.

Von Gaudencio (Dabel Zanabria), der sich der Zuhälterei verschrieben und sie unter falschen Versprechungen angelockt hat. Und selbst der Hafenarbeiter Lorenzo (Esteban Martin Domenichini), der sich auf den ersten Blick in Giselle verliebt hat, kann vorerst nur zusehen, wie sie in das übel beleumdete Hafenviertel La Boca geleitet wird.

So beginnt die Show „Tanguera“, die unter Schirmherrschaft von Daniel Barenboim seit 2002 von Tokio über Berlin, Wien und London bis New York und Paris Triumph um Triumph gefeiert hat und die im Grunde doch ein Paradoxon ist. Musical und Tango – wie soll das zusammengehen?

Die Antwort darauf geben Choreographin Mora Godoy, Regisseur Omar Pacheco und das 20-köpfigen Tanz- Ensemble mit dieser Produktion. Wobei der Gesang hier wohltuend sparsam eingesetzt wird: in wenigen leidenschaftlichen Liedern, präsentiert von Marianella; einer Frau mit leicht rauer, voluminöser Stimme, der man glaubt, wovon sie singt – von hoffnungsvoller Erwartung bei der Ankunft und bitterer Enttäuschung gleich darauf; von betörender Verliebtheit und schmutzigen Begehren gegen Geld; oder davon, wie es ist, sich dennoch durchzubeißen, bis eines Tages bessere Zeiten kommen.

Denn daran glaubt Giselle noch immer – so roh Gaudencio auch mit ihr umspringen mag. Wobei auch hier die Grenzen durchaus fließend sind. Auch er scheint – Tanz um Tanz – doch spürbar mehr in ihr zu sehen, als in jeder anderen Tanguera, die für ihn arbeitet: Frauen, die Männer mit ihrem Tanz verführen.

All das drückt über 90 Minuten allein der Tango aus; die rasanten Drehungen, Schrittfolgen und Sprünge – wie eine eigene Sprache, die man beim Zuschauen schon bald verstehen, hören oder auch lesen lernt. Dass man bei all dem mitunter nicht weiß, wo man die Augen lassen soll, spricht für sich. Die Unterschiede zwischen Solisten und Ensemble sind verschwindend gering. Das Niveau der Show ist atemberaubend, und die Kostüme spielen dabei einen nicht zu unterschätzenden Part.

Dieses Musical – wenn es denn tatsächlich eines ist – bricht erfrischend mit allen Regeln seines Genres. Natürlich geht es auch hier um Liebe und Leidenschaft, um heimliche Träume und um Energie, die beflügelt und zerstört. Ohne diese Motive in Dialogen über Gebühr zu strapazieren. Ein Blick, eine Handbewegung, ein grazil ausgestreckter Fuß oder ein auf den Boden schlagender Absatz sagen dasselbe so viel subtiler.

Wie (beinahe) alle gut all erzählten Geschichten hat „Tanguera“ kein Happy End. Zum Ende schließt sich der Kreis und wir sind wieder dort, wo alles seinen Anfang genommen hat. Auf ein nächstes Mal.

Tanguera: Bis 20. August beim Sommerfestival in der Philharmonie Köln. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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