Bonner Stadtklangkünstlerin „Nicht abschalten, sondern zuhören“

Bonn · Die Beethovenstiftung Bonn stellt die neue Stadtklangkünstlerin Maia Urstad vor. Im Rahmen von "bonn hoeren" recherchiert sie für Arbeiten für die Deutsche Welle und fürs Beethovenfest.

 Von Bergen nach Bonn: Die Stadtklangkünstlerin 2017 Maia Urstad vor der Deutschen Welle.

Von Bergen nach Bonn: Die Stadtklangkünstlerin 2017 Maia Urstad vor der Deutschen Welle.

Foto: Benjamin Westhoff

Die hehren, goldenen Radiozeiten sind bei der Deutschen Welle (DW) eigentlich schon länger vorbei. Immer mehr verlagert sich das Gewicht hin zu audiovisuellen Medien, zum Internet, zu den Sozialen Medien. Die Radiosendungen der DW können momentan als Internetradio empfangen werden, auf Kurzwelle in Asien in den Sprachen Paschtunisch und Dari sowie in Afrika in den Sprachen Amharisch, Englisch, Hausa, Französisch und Swahili. Der Rest läuft über Satellit. 2015 ist die letzte Relaisstation der DW in Ruanda geschlossen worden. Aber die Radiozeit sendet in den Herzen weiter, und im Archiv der Welle lagern dazu passend wahre analoge und digitale Hörschätze.

Die wird jetzt eine ausgewiesene Rundfunkliebhaberin heben, die Norwegerin Maia Urstad. Seit vergangener Woche ist sie in Bonn und hat gleich mit dem für Tonkonserven zuständigen Archivar der DW Kontakt aufgenommen sowie etliche Gespräche mit Mitarbeitern des deutschen Auslandssenders geführt. Gestern wurde Urstad (Jahrgang 1954) im Schürmannbau als neue Bonner Stadtklangkünstlerin des Projekts „bonn hoeren“ der Beethovenstiftung Bonn vorgestellt.

Die Stiftung kooperiert mit der Welle und dem Beethovenfest. Vor Jahren begann sie damit, die jeweiligen Stadtklangkünstler mit einer Bonner Institution zusammenzubringen: Vorletztes Jahr war die Universität Kooperationspartner, der Holländer Edwin van der Heide zeigte unter anderem eine Klanginstallation vor der Unibibliothek. 2016 arbeitete „bonn hoeren“ mit dem Theater Bonn zusammen, und der kanadische Künstler Gordon Monahan zeigte ein Klangkunstwerk an der Fassade der Kammerspiele.

Nun ist die Welle Inspirationsort für die neue Stadtklangkünstlerin, die sich in eine hochkarätige Riege von Kollegen einreiht: Auf den ersten, Sam Auinger (2010), folgten im jährlichen Wechsel Erwin Stache, Andreas Oldörp, Christina Kubisch, im Doppelpack Stefan Rummel und Max Eastley, die erwähnten van der Heide und Monahan. Nun freut sich die Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung, Monika Wulf-Mathies, dass wieder eine Künstlerin nach Bonn kommt, „um die Stadt zu einen Referenzort von international bedeutender Klangkunst zu machen“. Wulf-Mathies verspricht „Klänge in ungewöhnlichen Situationen“, empfiehlt: „Nicht abschalten, sondern neu zuhören.“

Sehr viel mehr können auch der Projektleiter von „bonn hoeren“, Casten Seiffarth, und die Künstlerin momentan nicht sagen. Denn Urstad hat gerade mit den Recherchen im Archiv der DW begonnen. Erstes Ziel sei, so Guido Schmitz, der bei der Welle für das Global Media Forum zuständig ist, eine Präsentation während des internationalen Medientreffs, der am 19. Juni startet.

Emotional aufgeladenes Medium

Ob die Inhalte der Präsentation, wie Klaudia Prevezanos, Stellvertretende Leiterin von DW Kultur online, hofft, aus ihren Programmen stammt oder Urstad sich eher auf alte analoge Tapes aus dem Fundus stützt, das sei alles offen, bekräftigen die Künstlerin und der Kurator. Der meinte immerhin: „Sie arbeitet nicht für das Radio, sondern mit dem Radio.“ Ihre Themen seien Senden und Empfangen sowie die kulturellen Folgen. Zweites Ziel ist der Start des Beethovenfests am 8. September. Auch dort soll die Stadtklangkünstlerin mit einer Installation präsent sein.

Einen kleinen Einblick in ihre Arbeitsweise gab die im norwegischen Bergen lebende und arbeitende Künstlerin gestern schon. „Radio ist für mich ein emotional aufgeladenes Medium“, sagte sie. Urstad hat nicht nur ein Faible für die schillernde Welt des Rundfunks mit allerlei Geräuschen, Morsezeichen, Verzerrungen, den unterschiedlichsten Sprachen, dem Ritual von Zeitansagen und mehr oder weniger bizarren Jingles. Sie liebt auch tragbare Radios aller Formate und Typen.

Sie hat bei Freunden herumgefragt, etliche Geräte zusammengetragen, sie wurde auf Flohmärkten fündig. Urstad türmt ihr Hardware-Arsenal und die im eigenen Studio mit Meerblick zusammengestellten Soundcollagen zur Mauer aus Transistorradios auf oder verteilt sie in Räumen, durch die der Betrachter wie durch einen Sound-Dschungel hindurchflanieren kann.

Wird sie sich mit den 30 Sprachen befassen, in denen die Welle in ihrem multimedialen Programm weltweit sendet? Oder wird die ehemalige Gitarristin der New-Wave-Band „Program 31“ und Performerin, die einmal mit Musik, Radios und Motorrädern eine Aktion im militärischen Sperrgebiet riskierte, ganz anderen Inspirationen folgen? Gestern machte sie jedenfalls einen sehr neugierigen, tatendurstigen Eindruck. Sie wisse nicht, was passieren werde, sagte sie und gab die Empfehlung: „Let's come and see“.

Informationen: www.bonnhoeren.de

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