Gespräch vor der Premiere „Da geht es um Leben und Tod“

Bonn · Regisseur Peter Konwitschny über seine Inszenierung von Othmar Schoecks „Penthesilea“, die am Sonntag in Bonn Premiere feiert.

Es ist mit keiner Musik vergleichbar, die ich kenne“, sagt der Opernregisseur Peter Konwitschny über Othmar Schoecks „Penthesilea“, die er für die Bonner Oper inszeniert. Dabei hat er in seinem Leben das Opernrepertoire schon ganz gut abgearbeitet, nicht nur die Klassiker von Wagner und Verdi, Konwitschny fühlt sich auch durch weniger geläufige Stoffe herausgefordert, wie etwa Wolfgang Rihms „Eroberung von Mexiko“, die er 2015/2016 für Salzburg und Köln auf die Bühne brachte.

Der heute 72-jährige Konwitschny zählt seit vielen Jahren zu den spannendsten Regisseuren im deutschsprachigen Raum, wurde mehrmals zum „Regisseur des Jahres“ gekürt. Unter anderem für seine Arbeiten in Graz, wo er seit mehr als einem Vierteljahrhundert regelmäßig inszeniert und dabei auch schon mit Dirk Kaftan zusammengearbeitet hat, der als neuer Generalmusikdirektor sein Debüt an der Bonner Oper mit „Penthesilea“ gibt.

Geboren wurde Konwitschny in Frankfurt am Main, aufgewachsen ist er jedoch in der DDR, wo sein Vater in den Nachkriegsjahren unter anderem als Gewandhauskapellmeister in Leipzig und als Generalmusikdirektor in Dresden und (Ost-)Berlin wirkte. Diese Prägung verleugnet Konwitschny bis heute nicht, sie hat durchaus seinen Blick als Theatermann geschärft. Konwitschnys Arbeiten kann man meist auch als Ideologiekritik lesen. Das gilt auch für Schoecks auf Heinrich von Kleists Drama basierende „Penthesilia“. Eines der ersten Urteile, die ihm zu der Oper in den Sinn kommen, ist: „Das Werk ist subversiv.“ Konwitschny erkennt Konstellationen darin, die „unsere ganze Gesellschaft, unsere Zivilisation“ betreffen: „Das ist nicht harmlos. Da geht's um Leben und Tod.“ Was ihm als Regisseur durchaus gefällt.

In Schoecks Oper und Kleists Trauerspiel steht der Konflikt zwischen der Amazonenkönigin Penthesilea und dem griechischen Helden Achilles im Zentrum, den sie auf dem Schlachtfeld vor Troja austragen. Bei einem Überfall der Amazonen kann sich Achilles nur mit Mühe und Not vor der Penthesilea retten. Er besiegt sie, verschweigt diesen Umstand jedoch.

Sie verlieben sich heftig, doch nachdem Penthesilea die Wahrheit erfährt, tötet sie Achilles auf bestialische Weise. „Bei Kleist heißt es: 'Küsse, Bisse, das reimt sich'“, sagt er und ergänzt: „Hauptthema des Stückes, ist, dass Gesellschaften Übertretungen ihrer Individuen nicht tolerieren; das betrifft besonders die sexuelle Aktivität.“ Parallele Konfliktsituationen sieht er in vielen Dramen, wenn der Ägypter Radames die Sklavin Aida liebt, wird das ebenso wenig geduldet, wie die Verbindung von Romeo und Julia: „Die Gesellschaften sorgen dafür, dass so etwas kaputtgemacht wird.“

Die Liebenden dürfen sich nicht verbinden: „Denn wenn das gestattet würde, bräche die Gesellschaft mit all ihren Errungenschaften und all ihren Lügen zusammen.“ Kleist zeige in „Penthesilea“, dass es kein Glück bringe, die Lebensqualität, die ein stabiles System verspricht, „nur durch Angst zu erhalten“. Schoeck verstärke das noch einmal, spitze die Situation schon durch den Einsatz der Chöre noch einmal zu: „Ich lasse den Chor eine wichtige Rolle spielen. Der heizt das noch einmal richtig an. Sie haben eine starke Schubkraft auf die beiden, die wie in einem Hexenkessel sind.“

Die Radikalität des gerade einmal 75 Minuten dauernden, 1927 uraufgeführten Einakters hat Konwitschny zusammen mit seinem Ausstatter Johanne Leiacker zu einem ungewöhnlichen Bühnenbild inspiriert. „Im normalen Guckkasten wäre das viel zu harmlos für das Stück. Es ist natürlich nicht neu, dass das Orchester einmal hinter der Bühne sitzt. Dass aber zwei Konzertflügel auf der Bühne stehen und irgendwann auch herumgeschoben werden, hat es noch nicht gegeben.“ Konwitschny leitet das aus dem Stück ab. „Es gibt musikalische Stellen, wo die Flügel mal nicht Teil des Orchesters sein müssen, sondern bei den Sängern sind. Das gefällt mir.

Da gibt es eine ganz zärtliche Stelle zwischen den beiden. Da stehen sie neben den Pianisten und legen ihre Hände auf die Schultern der Pianisten. Und da fangen die an, ganz irisierende Figuren zu spielen. Wenn das im Orchester gespielt wird, geht das unter. Weil man es nicht sieht. Hier wird es zum Zentrum des Klanges.“ Selbst das Publikum soll Teil der Inszenierung werden. Es sitzt um die Protagonisten herum, denen es bei ihrem tödlichen Liebeszweikampf zuschaut, als befände es sich in einer Kampfarena.

Premiere am Sonntag, 18 Uhr, in der Oper Bonn. Karten bei Bonnticket.

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