GA-Interview „Ich muss jetzt im Sitzen arbeiten“

Bonn · Die Kölner "Queen of Comedy" Gaby Köster über ihr Leben nach dem Schlaganfall und ihr neues Programm „Sitcom“, mit dem sie im Haus der Springmaus auftritt.

Kurz vor Ende ihrer Erzieherausbildung begannen Sie, im „Out“ zu kellnern, einem bekannten Künstlertreff in der Kölner Südstadt. Aber wer hat ihre besondere Begabung entdeckt?

Gaby Köster: Jürgen Becker war ständig Gast im „Out“. Er saß nachmittags in einer Ecke, schrieb und lachte laut vor sich hin. Ich dachte, oh weh, mit dem stimmt was nicht. Wir hatten um die Ecke eine Tagesklinik und ich nahm an, er wäre dort wohl entlaufen. Meine Schlagfertigkeit war bekannt, und irgendwann fragte er mich, ob ich nicht eine Nummer für ihn schreiben wolle. Ich konnte das zuerst nicht glauben. Mit der ersten Nummer gingen wir zum WDR und nahmen das auf. Man kennt ja die Storys: „Wir machen dich berühmt“ (lacht). Aber es stimmte wirklich. Ich hörte mich im Radio. Danach kamen Radiosendungen und die Stunksitzung, wo Jürgen mich vorgeschlagen hatte. Dann ging es weiter: „Sieben Tage, sieben Köpfe“ und „Ritas Welt“.

Nach der letzten Folge von „Ritas Welt“ kam der Schlaganfall. Er kam nicht ganz unvermittelt, Ihr linker Arm schlief verdächtig häufig ein.

Köster: Man denkt in meinen Alter nie daran, einen Schlaganfall zu bekommen. Ich stand voll im Saft.

Sie haben sich später nicht als Kämpferin gesehen, sondern als Mensch mit einem starken Willen. Wo ist der Unterschied?

Köster: Kämpferin hat etwas mit Gewalt zu tun. Das will ich definitiv nicht. Ich wollte einerseits meiner fast achtzigjährigen Mutter und meinem Sohn beweisen, dass ihre ganze Mühe nach dem Schlaganfall nicht umsonst gewesen war. Und ich war sehr wütend über meine Hilfslosigkeit. Wut ist eine Antriebskraft im Gegensatz zum Kampf. Vieles ging nicht mehr, was früher leicht von der Hand ging. Wenn du über dich selbst sauer bist, das bringt Strom in dein Leben.

Ohne Familie, ohne Mutter und Sohn, wären Sie nicht da, wo Sie heute sind. Es gab Tommy Engel und insbesondere Brings, die Ihnen ein gigantisches Publikum nahebrachten. „Joode Fründe stonn zesamme.“ Ist dies speziell für die Kölner Künstler-Szene?

Köster: Man kennt sich hier und man hilft sich. Als Niedecken das Gleiche wie mir passierte, rief ich ihn an. Ich hatte einen hervorragenden Neurologen kennengelernt. Aber er war selbst in guten Händen. Köln hat einen dörflichen Charakter. Es ist keine wirkliche Großstadt. Auch wenn die Kölner das gerne anders sehen.

Man fragt Sie schon mal, ob Sie einen neuen Mann haben. Sie antworten: „Ich arbeite daran!“ Zuletzt sprachen sie in einem Interview von einer neuen „Verknallung“. Arbeiten sie noch daran?

Köster: Ich arbeite immer noch dran. In der Winterzeit sagt man sich, kuscheln wäre auch ganz lecker (lacht auf). Nun bin ich etwas schwer zu vermitteln. Für Skifahren oder Bungeespringen bin ich weniger geeignet. Eigentlich bin ich immer noch ein Hibbel, ich brauche mein Chaos für mein Lebensgefühl. Ich kann nicht in gekachelten Räumen wohnen.

Nach zwei Büchern streben Sie wieder Ihre eigentliche Rolle als Stand-Up-Comedienne an. Was bedeutet der Titel „Sitcom“?

Köster: Früher konnte ich auf der Bühne hin und her rennen. Leider geht das jetzt nicht mehr. Ich muss im Sitzen arbeiten. Daher der Titel. Aber weiterhin mit viel Gestikulation. Ich rege mich über Politik (z.B. die Groko) und über Kleinigkeiten auf, die einem auffallen, wenn man unterwegs ist. Bisher habe ich 14 Shows gegeben. Die Menschen haben jede Menge Spaß. Neu ist, dass ich auch im Ruhrgebiet spiele.

Wie stark ist die Angst, nicht als Künstler, sondern als tragisches Schicksal wahrgenommen zu werden?

Köster: Die Angst habe ich überhaupt nicht. Ich kann vielen Leuten Mut machen. Lachen ist für jeden überlebenswichtig. Es gibt Künstler im Rollstuhl auf der Bühne. Das ist unser Alltag. Es gibt viele „Behinderte“, die unterwegs sind. Man denke nur an die operierten Ladies im Fernsehen.

Ein Schlaganfall ist eine Krankheit, die niemand haben will. Kann man ihr trotzdem etwas abgewinnen?

Köster: Unbedingt! Man lernt die Dinge anders und neu kennen. Ich habe einen wunderschönen Garten, um den ich mich nie kümmern konnte, weil ich unterwegs war. Man lernt Kleinigkeiten zu würdigen. Der leckere Duft von Kaffee. Wie wichtig diese kleinen Dinge sind. Ich habe einen Kumpel aus der Klinik, der glaubt, seine Frau nicht mehr verteidigen zu können. „Mensch, das Mädchen ist groß, das kann sie doch alleine!“ Der Mann, das ist meine Erfahrung, ist eher wütend auf sich selbst. Ihm fehlt, was bei Frauen eher der Fall ist, die Wut nach vorne!

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