Kommentar Zukunft der Bundeskanzlerin - Merkel, die Vierte

Regieren heißt in einer Demokratie, Macht auf Zeit auszuüben. Wie lange, bestimmt der Wähler. Und dessen Antwort ist aktuell eindeutig. Er will Angela Merkel nicht ziehen lassen, will ihr eine vierte Amtszeit gewähren.

Das ist so eindeutig, dass Schleswig-Holsteins sozialdemokratischer Ministerpräsident seiner Partei indirekt den Verzicht auf eine eigene Kanzlerkandidatur empfiehlt - was vorlaut und unklug und politisch selbstmörderisch ist. Das ist so eindeutig, dass CSU-Chef Horst Seehofer schon laut von einer absoluten Mehrheit der Union bei der nächsten Bundestagswahl träumt, was ebenfalls vorlaut und unklug ist.

Denn eine immerhin ja Regierungspartei, die sich nicht mehr traute, einen eigenen Kandidaten aufzustellen, entmachtet sich noch mehr, als es der Wähler derzeit tut. Und eine größere und siegreiche Regierungspartei, die sich zu siegessicher fühlt, stößt Wähler ab, weil sie schnell als arrogant wahrgenommen werden kann.

Deshalb: Die Wähler werden - erst in zwei Jahren - die Wahl haben, und da werden immer mehr Kreuzchen recht spät und sehr spontan gesetzt. Aber die Union hat 2017 keine Wahl: Sie wird mit Angela Merkel siegen - ihre Gesundheit vorausgesetzt, oder besser gesagt: Merkel wird für die Union den Sieg holen. Niemand sonst. Kein Volker Kauder, kein Horst Seehofer, auch kein Wolfgang Schäuble, keine Ursula von der Leyen und auch keine Julia Klöckner.

Diese Liste aufzustellen, zeigt nämlich zugleich das Dilemma der Union: Auf den irgendwann letzten Merkel-Sieg wird unweigerlich ein Absturz folgen. Denn die Union ist heute mehr denn je ein Kanzlerwahlverein, verliebt ins Regieren und damit - was völlig legitim ist - verliebt in den Machterhalt. Dutzende von Abgeordneten verdanken Merkel ihr Mandat. Und sie wollen, dass das so bleibt. Das heißt: Ein Aufstand gegen Merkel ist weit und breit nicht in Sicht - und wäre auch sinnlos. Die Kanzlerin mag in Bayreuth vom Stuhl rutschen, aber gesägt wird an ihm nicht.

Die dienstälteste Regierungschefin in Europa gilt den Bürgern bis weit in die Kreise der anderen Parteien als glaubwürdig. Und sie vertrauen ihr. Weil sie Deutschland gut durch die Krisen der vergangenen Jahre gebracht hat, auch wenn sie viel weniger steuert oder dirigiert, als es den Eindruck hat. Oder, wie es der frühere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gesagt hat: Alle fahren derzeit auf Sicht, auch Merkel.

Für den Normalbürger gilt demnächst die Rente mit 67, da gibt es keinen Grund, dass Angela Merkel eine Ausnahme macht. Vorruhestand passt nicht zu ihr. Und auch wenn sie als eher uneitel gilt: Die Amtszeit ihres einstigen Förderers Helmut Kohl einzustellen, hat seinen eigenen Reiz. Dazu aber fehlen noch sechs Jahre, denn Merkel ist im November "erst" zehn Jahre im Amt. Wie man es also dreht und wendet: Alles spricht für mehr als zwei weitere Merkel-Jahre.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Zum Thema
Jana Marquardt
zu Arbeitslosen in Deutschland
Viel Potenzial bei Ungelernten
Kommentar zur ArbeitslosenquoteViel Potenzial bei Ungelernten
Eine andere Welt
Kommentar zu den weltweiten Militärausgaben Eine andere Welt
Aus dem Ressort