Leitartikel Zehn Jahre Hartz-Reform - Die Narben der SPD

Peter Hartz war einst ein erfolgreicher Personalmanager im Weltkonzern VW. Bestens vernetzt in der deutschen Politik, am besten in der damaligen niedersächsischen SPD-Spitze um Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel.

Dann fiel er über die weltweite VW-Affäre und die Lustreisen der Betriebsratsmitglieder im VW-Konzern. In der Öffentlichkeit aber wurde er berühmt und berüchtigt für die Reformen in der Arbeits- und Sozialpolitik, die seit zehn Jahren seinen Namen tragen.

Die Agenda 2010 und die damit verbundenen Hartz-Reformen haben das Land gespalten und die SPD zerrissen, sind zugleich bis heute ein wesentliches Element für die Stärke und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, auch für den Abbau der Arbeitslosigkeit. Die These ist nicht zu gewagt: Die Hartz-Reformen tragen in ihrer Langzeitwirkung dazu bei, dass Deutschland bisher relativ unbeschadet durch Europas Wirtschafts- und Finanzkrise kommt.

Die Hartz-Reformen waren notwendig und richtig, wenngleich sie in der Umsetzung, gerade mit Blick auf handwerklich zum Teil schlampig erarbeitete Gesetzestexte, nachvollziehbar in der Kritik standen. Ein weiteres Versäumnis war es, und das wird vom früheren SPD-Chef Franz Müntefering zu Recht betont, dass mit den Hartz-Reformen nicht die flächendeckende Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns einherging. Dafür gab es seinerzeit keine Mehrheit im Bundesrat.

Doch fernab von der wirtschaftlichen Dimension stehen die Hartz-Gesetze auch für die Ironie der Geschichte, dass mit Gerhard Schröder ein SPD-Kanzler für ein Projekt verantwortlich zeichnete, das konservative Politiker und Vertreter der Wirtschaft bis heute loben und große Teile der eigenen Partei weiterhin als Teufelszeug betrachten. Diese Konstellation macht auch das Agieren der drei potenziellen SPD-Kanzlerkandidaten Gabriel, Steinbrück und Steinmeier umso spannender.

Denn einerseits wissen sie, dass die damalige Kehrtwende in der Sozialpolitik richtig war, andererseits wollen und dürfen sie es sich mit ihrer Partei nicht verscherzen. Gabriel laviert bei diesem Thema. Steinmeier hält sich zurück, denn gerade er wandert in puncto Glaubwürdigkeit auf schmalem Grat: Soll er sich aus Parteiräson von Reformen distanzieren, die er damals als Schröders Kanzleramtsminister massiv forciert hatte? Peer Steinbrück wiederum steht für den wirtschaftsliberalen Flügel. Das ist einerseits gradlinig und erleichtert die Argumentation, andererseits bleibt er damit als Kanzlerkandidat in der SPD schwer vermittelbar.

Auf den Tag genau zehn Jahre nach Vorstellung der Reformen sind die Narben der Sozialdemokraten noch immer nicht verheilt. Und auch der einstige Vorzeige-Manager Peter Hartz ist damit nicht glücklich geworden.

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