Kommentar Wahlprogramm-Parteitag der FDP - Der Platz in der Mitte

Vier Prozent. Konstant über Monate. Das lässt sich kaum schönrechnen. Keine Frage: Die Lage für die FDP ist ernst. Doch ein knappes halbes Jahr vor der Bayern-Wahl und der Wahl im Bund haben sich die Liberalen bei ihrem Sonderparteitag in Nürnberg Mut für ihren Marsch aus der Umfragekrise gemacht.

Es lebe der Angriff! Mit ungenierter Freude werden die Liberalen die jüngsten Steuerbeschlüsse des Grünen-Programm-Parteitages vor einer Woche registriert haben. Die Grünen, direkter Konkurrent der FDP bei Freiheits- und Bürgerrechten, tun den Liberalen den Gefallen und machen mit ihren Voten für höhere Spitzensteuer und Wiedereinführung der Vermögenssteuer wieder Platz in der Mitte.

Das kommt wie gerufen für die kriselnde FDP, die im September 2009 mit 14,6 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis der Nachkriegszeit erzielt hatte. Nach elf Jahren Opposition war sie zurück in der Regierung.

Es ist wie so oft, wenn man auf dem Gipfel steht: Von da an geht es nach unten. Doch in der Todeszone unterhalb der Fünf-Prozent-Marke können die Liberalen verständlicherweise nicht bleiben. Im angestrebten Gleichschritt mit CDU und CSU wollen sie auch die kommenden vier Jahre Deutschland regieren. Möglich ist das, weil die Bundestagswahl noch lange nicht entschieden ist.

[kein Linktext vorhanden]Wer am Ende mit wem koaliert oder koalieren muss, kann kein Demoskop heute vorhersagen. Zuletzt hat die Niedersachsen-Wahl nicht nur den Liberalen gezeigt, dass Umfragewerte die Wahlergebnisse nicht zuverlässig vorwegnehmen. Auf der Zielgeraden hat es Niedersachsens FDP auf Kosten der CDU doch noch geschafft und Parteichef Philipp Rösler den Job gerettet. Die Chance auf Wiederholung bei der Bundestagswahl am 22. September ist da. Im Zweifel hat es für die FDP oft genug gereicht. Erfahrung hilft im Abstiegskampf.

Ab sofort ist Wahlkampf. Und aufgeheizter Wahlkampf taugt nicht für die langen Linien. Doch wenn die FDP ehrlich mit sich ist, muss sie nach der Bundestagswahl eine programmatische Erneuerung mit dem Ziel einleiten, ihr liberales Profil zu schärfen.

Im deutschen Parteienspektrum ist natürlich Platz für eine liberale Partei, die mehr wiegt als fünf Prozent. Globalisierung, Staatsschuldenkrise und Euro-Debatte haben Verlierer geschaffen, die auf Antworten warten, ob es der Markt alleine richten darf und soll.

[kein Linktext vorhanden]Ein gesetzlicher Mindestlohn ist für die FDP auch weiter kein Thema. Doch mit der Debatte über Lohnuntergrenzen für Regionen und Branchen, in denen es keine Tarifparteien mehr gibt, macht die FDP einen Anfang. Auch wenn Niedriglöhner keine FDP wählen, darf der Partei soziale Gerechtigkeit nicht egal sein, wenn liberal mehr sein soll als nur ein Etikett. Zwischen vier und 14,6 Prozent ist viel Spielraum. Es liegt an der FDP, wie sie ihn nutzt.

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