Wahl in Hamburg - Scholz und der Erfolg

Der Erfolg der SPD bei der Hamburger Bürgerschaftswahl ist allein der Sieg von Olaf Scholz. Während seine Partei in bundesweiten Umfragen kaum die 25-Prozent-Marke schafft, holt er in der Hansestadt annähernd 22 Prozentpunkte mehr.

Dort gibt es neben Scholz kaum einen profilierten Sozialdemokraten. Seine sachorientierte Politik, die konkrete Probleme der Menschen in den Mittelpunkt rückt, kommt bei den Wählern an. Dass er Versprechungen mit Augenmaß macht und dann auch hält, dass er sich um praktische Lösungen bemüht und ideologische Streitereien ignoriert, sind Grundlagen seines Erfolges.

Für Scholz ist Politik keine Showveranstaltung mit ihm selbst im Mittelpunkt, sondern Handwerk und Arbeit zur Lösung konkreter Probleme. Dieser Politikstil setzt Maßstäbe, denn nicht wenige Ministerpräsidenten und auch Bundespolitiker eifern ihm inzwischen nach. Sie haben bemerkt, dass Sachlichkeit den politischen Gegnern das Leben schwerer macht als Grundsatzdebatten und Flügelkämpfe.

Diese schmerzhafte Erfahrung hat auch die Hamburger CDU machen müssen, die sich nach den Erfolgen unter Ole von Beust beinahe pulverisierte. Das bürgerliche Lager hat es in der Hansestadt traditionell schwer, wenn die SPD unideologisch und wirtschaftsfreundlich agiert wie unter Scholz. Neben lokalen Faktoren spielt jedoch auch die notorische Schwäche der Christdemokraten in den großen Städten eine Rolle.

Die Vorstellungen der CDU passen offenbar immer schlechter zum Lebensentwurf der Menschen in modernen Metropolen mit ihrem rasanten Strukturwandel in Wirtschaft, Gesellschaft und Familien. Hier liegt ein Schlüssel für den überraschenden Erfolg der FDP. Man mag den stark auf die Attraktivität der Spitzenkandidatin zugeschnittenen Wahlkampf ablehnen.

Aber er hatte Erfolg, weil hier eine Kandidatin antrat, die vieles von dem verkörpert, was das Lebensgefühl gerade junger, bürgerlicher Hamburger ausmacht. Der Erfolg der AfD hingegen ist keine Überraschung, denn an der Elbe wählt ein erheblicher Teil der Menschen schon seit Jahren gerne mal den Protest, zunächst die Statt-Partei, dann die Schill-Partei und jetzt eben die AfD.

Die Präsidien der beiden großen Volksparteien dürften letztlich etwas ratlos vor dem Ergebnis stehen. Die SPD muss sich fragen lassen, warum ihr auf Bundesebene nicht gelingt, was in Hamburg gut funktioniert. Ist sie in ihren Parteiflügeln zu oft zu zerstritten? Liegt es am politischen Personal oder an einem Übermaß an Ideologie?

Bei der CDU ist es genau umgekehrt. Warum kann sie Angela Merkels Erfolge nicht in einer Stadt wie Hamburg umsetzen? Die Parteivorsitzende wird sich die Ergebnisse vom Sonntag genau ansehen müssen, denn es sind die wachsenden Städte, die immer mehr die politische Richtung dieser Republik bestimmen.

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