Kommentar Türkei: Rechnung ohne Wirt

Istanbul · Die Türken sind ein stolzes Volk, die Einheit der Nation ist vielen Menschen sehr wichtig. Für sie ist die kurdische Rebellengruppe PKK deshalb nichts weiter als eine Terrororganisation.

Die Friedensgespräche zwischen dem türkischen Staat und PKK-Chef Öcalan wurden in den vergangenen Jahren vielerorts mit Misstrauen verfolgt.

Unter diesem Eindruck hat Präsident Erdogan den Friedensprozess auf Eis gelegt und eine Kehrtwende eingeleitet. Seit einigen Wochen lässt er die Armee mit groß angelegten Operationen und Luftangriffen gegen die PKK vorgehen. Von der neuen Härte verspricht sich Erdogan nach der Wahlschlappe für seine Partei AKP im Juni Zugewinne bei den bevorstehenden Neuwahlen im November. Doch möglicherweise hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Die Türken mögen die PKK ablehnen - doch einen neuen Krieg gegen die Kurdenrebellen anfangen wollen sie deshalb noch lange nicht. Zwei Jahre Waffenstillstand haben auch den skeptischsten Wählern vor Augen geführt, wie sehr das ganze Land davon profitiert, wenn die Waffen schweigen.

Erdogan hätte den Friedensprozess vorantreiben sollen, statt ihn abzuwürgen. Das hätte ihn zwar kurzfristig ein paar nationalistische Stimmen gekostet. Doch nach der Juni-Wahl hätte die Türkei vier Jahre Zeit bis zur nächsten regulären Wahl gehabt, um die Früchte des Friedens zu ernten. Nun aber strebt Erdogan ohne Not eine rasche Neuwahl an und setzt auf Unnachgiebigkeit, um rechte Wähler zu umwerben. Damit könnte er die Weichen für eine neue Niederlage gestellt haben.

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