Kommentar Treffen von Putin und Obama: Ablenkungsmanöver

Papst hin, Papst her, am Montag redet Wladimir Putin vor den Vereinten Nationen, viele Russen erwarten den rhetorischen Höhepunkt der UN-Vollversammlung. Und dazu noch eine geopolitische Wende: Ihr Präsident trifft ja außerdem Barack Obama.

Laut Putins Pressesprecher wollen beide eine Stunde lang über Syrien reden und, "wenn dann noch Zeit ist", über die Ukraine.

Seit Wochen spricht Putin lieber über Syrien. Über syrische Flüchtlingsströme, die Europa überfluten. Und über Russland, das bereit sei, mit einem Militäreinsatz vor Ort zu helfen. Für alle Fälle hat Russland diesen Einsatz schon gestartet, Marineinfanteristen und Kampfflugzeuge nahe Latakia in Stellung gebracht. Im Gegensatz zum verdeckten Krieg in der Ostukraine winken die Russen in Syrien buchstäblich mit Panzerrohren: Kaum getarnte Truppentransporter passieren den Bosporus, in der Hafenstadt Noworossijsk geben Soldaten Interviews: "Wir dachten, es ginge ins Donbass, aber es hat sich herausgestellt, dass wir nach Syrien sollen."

Währenddessen ist es in der Ostukraine still geworden. Seit Wochen melden erstaunte ukrainische Regierungstruppen nur noch vereinzeltes Gewehrfeuer. Es scheint, als sei der Kreml des Abenteuers in der Ukraine überdrüssig. Gründe gibt es genug: Der unerwartet starke Widerstand der Ukrainer. Und die langsame, aber heftige Reaktion des Westens, vor allem dessen Finanzsanktionen.

Kein Wunder, dass Putin wieder mit dem Westen ins Gespräch kommen will. Die Flüchtlingsnöte in Europa bieten ihm allen Anlass, sich statt als Aggressor im Donbass als robuster Friedensmacher in Syrien zu präsentieren.

Warum nicht? Vielleicht können Berlin, Brüssel und Washington ja mittels Syrien den 18 Monate unberechenbar herumzockenden Putin wieder an einen Tisch mit gemeinsamen Spielregeln zurückbringen. Kalter Krieg nutzt niemandem. Das blutige Chaos im Nahen Osten auch nicht.

Die Frage ist, was der Kreml zu einer Friedenslösung in Syrien beitragen kann. Putin erklärt, Ziel Russlands sei die Erhaltung des syrischen Staates. Also des Assad-Regimes. Viele Beobachter glauben, die russische Streitmacht werde sich angesichts Assads trister militärischer Lage darauf beschränken, den noch von der Regierung gehaltenen Küstenstreifen im Nordwesten, auch "Assad-Land" genannt, zu verteidigen. Der Vielfrontenkrieg zwischen Regierungstruppen, Rebellen, Terroristen, Kurden und Türken aber ginge weiter.

Es ist fraglich, ob Russland die Fähigkeiten mitbringt, das Chaos zu befrieden. "Wir bombardieren hier, ihr dort", umschreibt ein Moskauer Politologe die mögliche Kooperation mit dem Westen. Syrien zum Frieden bomben, auch ein Konzept. Russlands Militärs genießen nach Afghanistan und Tschetschenien jedenfalls nicht den Ruf, Rücksicht auf die friedliche Bevölkerung zu nehmen.

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