Tarifkonflikte bei der Post und der Bahn - Stellvertreterkriege

Kennen Sie das Gefühl? Sie streiten mit jemandem um irgendeine Sache, tatsächlich geht es aber um etwas ganz anderes, Grundsätzlicheres. Dieses Gefühl beschleicht einen auch bei den aktuellen, quälenden Konflikten zwischen Management und Gewerkschaften bei der Deutschen Post und bei der Deutschen Bahn.

Vordergründig geht es um Tarife, um die Bezahlung der Mitarbeiter. Tatsächlich aber liegt der eigentliche Kriegsschauplatz woanders.

Bei der Bahn kämpft die Lokführergewerkschaft GDL ums Überleben als tariffähige Gewerkschaft. Über ihr schwebt das Damoklesschwert des Tarifeinheitsgesetzes, das im Sommer in Kraft treten soll und nach dem für eine bestimmte Berufsgruppe nur noch die größere Gewerkschaft Tarifverträge abschließen darf.

Bei der Post geht es zwar tatsächlich um Tarife, aber um andere als die, für die jetzt gestreikt wird. Nicht die Wochenarbeitszeit bei der Deutschen Post ist für die Gewerkschaft Verdi das Problem, sondern es sind die vom Bonner Konzern neu gegründeten Zustellfirmen, in denen bald 10 000 und mehr Menschen Arbeit finden sollen. Zu Tarifen, die zwar deutlich niedriger sind als die der Post, die die Branche aber gleichwohl mit der Gewerkschaft vereinbart hat. Deshalb kann Verdi dort im Moment nicht streiken.

In beiden Auseinandersetzungen spielen für die Gewerkschaften also politische Motive eine Rolle. Die Tarifkämpfe sind Stellvertreterkriege - auf dem Rücken der Kunden von Bahn und Post. Im Grunde ringen GDL und Verdi hier auch um ihr eigenes Selbstverständnis.

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