Kommentar Szenen einer Partei

Berlin · In nachrichtenarmen Zeiten erzeugen auch kleinere Geräusche Lärm. Nur sind die Dinge, mit denen sich die CSU gerade herumschlagen muss, eben keineswegs beiläufige Nebengeräusche. Und es sind viele gleichzeitig.

Gegen Christine Haderthauer ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Betrug und Steuerhinterziehung. Ein früherer Geschäftspartner fühlt sich um viel gebracht. Sie ist die Chefin der Münchner Staatskanzlei.

Peter Gauweiler steht wegen immenser Nebeneinnahmen in der Kritik. Gauweiler, gegen den allerdings keine rechtliche Verfehlungen im Raum stehen, ist nicht nur Bundestagsabgeordneter der CSU, sondern auch stellvertretender Vorsitzender der Partei. Gegen Georg Schmid hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Der ehemalige Landtagsfraktionschef soll 325.000 Euro Sozialversicherungsbeiträge gespart haben, als er seine Ehefrau als Sekretärin beschäftigte. Durchweg geht es um Namen aus dem Partei-Establishment, und das Hintergrundrauschen bei all diesen Punkten sind persönliche Geldangelegenheiten.

Diese Geschichten werden zu einer Zeit diskutiert, da die CSU auch politisch angeschlagen ist, und beides verdichtet sich dann doch zu einer handfesten Krise. Die CSU hat einen desaströsen Europawahlkampf mit dem schlechtesten Wahlergebnis (40,5 Prozent in Bayern) abgeschlossen, das sie seit 60 Jahren bei einer landesweiten Wahl eingefahren hat. Das war das logische Ergebnis für eine Partei, die im Europawahlkampf zum Thema Europa nichts zu sagen hatte.

Das scheint den generellen Zustand einer Partei zu beschreiben, die inhaltlich austrocknet. Dafür trägt Parteichef Horst Seehofer allein die Verantwortung. In der vergangenen Legislaturperiode war das Betreuungsgeld der einzige erkennbare Inhalt der CSU. Sie hatte es durchgesetzt, und deshalb konnte die Partei die Wahlperiode bundespolitisch als Erfolg abbuchen.

Bleibt die Maut. Die aber ist schwer durchzusetzen und konzeptionell umstritten. Die CSU - eine Ein-Punkt-Veranstaltung? Das ist eine lebensgefährliche Strategie für eine Partei, die im Land stets deshalb Erfolg hatte, weil sie thematisch breit aufgestellt war und alle gesellschaftlichen Schichten ansprechen konnte.

Bundespolitisch ist Seehofer auf Gedeih und Verderb auf das Durchsetzen der Maut angewiesen. Das ist für ihn längst nur noch eine Macht- und Überlebensfrage und hat mit Vernunfterwägungen gar nichts mehr zu tun. Die Kanzlerin bringt das in eine schwierige Lage, denn ihr Handlungsspielraum wird so eingeschränkt.

Landespolitisch werden die Nachfolgedebatten bald losgehen, auch wenn Seehofer bis 2018 durchregieren will. Profilierungskämpfe werden beginnen. Als ruhender Pol, als Stimme der Vernunft, fällt die CSU auf Sicht aus.

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