Kommentar Steuern und Löcher - Made in Germany

Dass der Vorschlag einer Straßenreparatur-Maut von einem führenden Sozialdemokraten kommt, macht die Sache nicht besser, sondern befördert nur ein zusätzliches Unbehagen. Dass der Staat nämlich nie genug bekommen kann und ein Sozialdemokrat, der in diesem Staat regieren darf, erst recht nicht.

Doch in der Sache ist der Vorschlag aus dem hohen Norden eine Bankrotterklärung. Ein Armutszeugnis für Deutschland. Dem Land, dem es so gut geht wie keinem anderen in Europa, das die Arbeitslosigkeit besser als fast alle anderen im Griff hat, das Exportweltmeister ist und im März den Rekordbetrag von 55 Milliarden Euro Steueraufkommen verbuchen kann.

Rekordeinnahmen! Und doch sehen viele Straßen aus, als lägen sie in einem Entwicklungsland. Fast die Hälfte aller Brücken in diesem Schlaraffenland sind reparaturbedürftig, fast ebenso viele Bundesstraßen und jeder fünfte Autobahnkilometer.

Warum das so ist? Weil dieses Land bald auch Weltmeister im Verdrängen von Problemen sein wird. Von den ganz großen, wie dem Klimawandel, soll hier gar nicht erst die Rede sein. Nein, dieses Land vergisst die selbstverständlichsten Selbstverständlichkeiten. Es beschäftigt ein Heer von Staatsdienern, vergisst aber die Rücklagen für deren Pensionen. Es baut Schulen, Brücken, Theater und Straßen, vergisst aber die laufenden Kosten für deren Unterhalt. Und, um zum großen Kaliber zurück zu kehren: Dieses Land schert sich keinen Deut um den demografischen Wandel, sondern tut bewusst noch das Gegenteil: Es senkt das Rentenalter (mit all den damit verbundenen Kosten), es führt zusätzliche soziale Leistungen wie die Verbesserung bei der Mütterrente ein (mit all den damit verbundenen Kosten) - so als ginge das alles nicht zu Lasten der kommenden Generationen.

Torsten Albig mit seiner Löcher-Maut ist genau von dieser Sorte. Ja, sagt er, die Berliner Koalition wisse schon, dass man jährlich sieben Milliarden für die Infrastruktur brauche. Aber sie habe eben nur fünf Milliarden für vier Jahre verabredet. Pech gehabt, Schlagloch! Oder: Ja, er wisse schon, dass die Autofahrer in diesem Land jedes Jahr 50 Milliarden durch Mineralöl- und Kfz-Steuer aufbringen, aber nur ein Bruchteil davon in den Verkehrssektor zurückfließt. Konsequenz: Weiter schröpfen! Das kann ja wohl nicht wahr sein.

Das Osterei aus Kiel ist ein weiterer Beleg dafür, dass etwas grundfalsch läuft in diesem Land. Dass Hauptaufgaben liegen bleiben, während Zweitrangiges finanziert wird. Schließlich hat man es dem Wähler ja versprochen. Und der macht mit! Ist so satt und selbstzufrieden wie die ihn Regierenden.

Die Zustimmungsquoten zu dieser Form von Gefälligkeitspolitik sind so hoch wie lange nicht mehr. Dennoch: Da ist der Wurm drin! Made in Germany, wenn man so will.

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