Sterbehilfe - Im Zweifel für das Leben

Das Thema Sterbehilfe weckt viele Emotionen. Das kann nicht anders sein. Hier geht es buchstäblich um die letzten, privatesten Dinge. Die Aussicht, dass der Staat auch noch diesen Intimbereich mit gesetzlichen Leitplanken ausstatten will, schafft ein gewisses Unbehagen.

Deswegen sollten alle Kontroversen um eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe mit einer Feststellung beginnen: Niemand, keine im Bundestag vertretene Partei, keine Gruppe von Abgeordneten, will einen Angehörigen gesetzlich verfolgen, der seinem Nächsten dessen Wunsch auf Selbsttötung ermöglicht. Diese Beihilfe zum Suizid wird weiter straffrei bleiben.

Nur kann man es hierbei nicht bewenden lassen. Weil die Wirklichkeit auch andere Formen der Sterbehilfe kennt: Gewerbliche Vereine versprechen das schnelle schmerzlose Ende gegen Geld. Andere bieten die Sterbedienstleistung zwar nicht gegen Geld, aber doch organisiert an, als Handlungsreisende in Sachen Tod. Ist das verwerflich? Schließlich gibt es Menschen, die diese Hilfe annehmen, vielleicht sogar als Erlösung betrachten.

Der Staat muss dagegen vorgehen, denn der Tod aus dem Telefonbuch, die organisierte Sterbehilfe, macht die Selbsttötung zu einer Normalität. Sie verschweigt, dass die Palliativmedizin heute in der Lage ist, die Schmerzen eines Sterbenden weitgehend zu lindern.

Sie bürgert eine Praxis ein, die sterbende Menschen einem sozialen Druck aussetzen kann. Warum die pflegenden Angehörigen emotional und finanziell belasten, warum den Kassen Kosten verursachen, die Erben warten lassen - es gibt doch Fachleute, die helfen? Da kommt unser Bild vom Menschen ins Rutschen, vom Leben, zu dessen natürlichem Ende der Tod gehört. Wie wir mit dem Sterben umgehen, sagt etwas über unser Leben aus.

Es gibt eine sehr ehrenwerte Mittelposition, die genau diesen Effekt sieht, ihn vermeiden will, und deshalb vorschlägt, dass den Ärzten erlaubt sein soll, dem Patienten mit Todeswunsch beim Sterben zu assistieren. Weil sie am besten feststellen können, ob noch Hoffnung besteht, welche Schmerzen auszuhalten sind, welche Prognose zu stellen ist.

Aber wer die Ärzte mit dieser Aufgabe belasten will, macht medizinische Helfer zu Sterbedienstleistern. Das einzigartige Vertrauensverhältnis des Patienten zum Arzt besteht ja gerade in der Gewissheit, dass er nur dem Leben verpflichtet ist. Die Position ist trotzdem ernst zu nehmen, denn sie kann ins Feld führen, dass das Wohl des Patienten auch heißen kann, ihn von einem als unerträglich empfundenen Leid zu befreien. In diesem Zwiespalt ist die Politik gut beraten, auf die Ärzte selbst zu hören, die in ihrer großen Mehrheit nichts davon halten, vom Lebenshelfer zum Sterbe-Beauftragten zu werden. Der Bundestag nimmt sich Zeit für seine Entscheidung. Das ist beruhigend.

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