Kommentar Skandal bei Volkswagen: Beschämend dreist

Der Fall VW ist gravierend, denn die Trickser aus Wolfsburg haben gleich auf mehreren Ebenen erheblichen Schaden angerichtet. Mit einer Strafzahlung, mag sie noch so hoch sein, ist dieser Skandal nicht aus der Welt zu schaffen. Er muss weitere Konsequenzen nach sich ziehen.

Schaden ist auf der anderen Seite des Atlantiks eingetreten. Die von den Manipulationen bei der Abgasmessung betroffenen Autobesitzer wurden von VW getäuscht und bangen nun um die Wiederverkaufswerte ihrer Fahrzeuge. Allein der Wertverlust, so ihn das Unternehmen ersetzen muss, dürfte VW teuer zu stehen kommen. Einen Vorgeschmack auf den materiellen Schaden lieferte die Börse prompt.

Die Schummelei ist auch keine der üblichen Mauscheleien in der internationalen Geschäftswelt. Hier wurden offenkundig vorsätzlich gesetzliche Normen der USA umgangen. Die dafür eingesetzte spezielle Software spricht für eine erhebliche Energie, die US-Behörden durchaus als kriminell einstufen könnten. Dann wären sogar Haftstrafen für die Verantwortlichen drin. Denn die USA rücken vom Prinzip ab, dass nur Unternehmen, nicht jedoch deren Personal, für Missstände zur Rechenschaft gezogen werden.

Der Ruf der deutschen Industrie in der Welt hat ebenfalls schweren Schaden genommen. Überall spielen sich die Deutschen als Vorreiter im Klimaschutz auf. Doch wenn es an die eigene Bilanz geht, spielt die Umwelt auf einmal keine Rolle mehr. Das ist die Botschaft, die im Ausland ankommt und der exportorientierten deutschen Wirtschaft das Leben erschweren wird.

Die Manipulationen ziehen auch die anderen deutschen Autobauer in Mitleidenschaft. Denn der Vertrauensverlust trifft die gesamte Branche. Ist VW das sprichwörtliche schwarze Schaf der Branche oder werden anderswo ähnliche Mechanismen in die Fahrzeuge eingebaut. Kritik an den Abgasmessungen gibt es schon lange. Die Testverfahren sind in Europa zwar völlig andere als in den USA. Doch lassen sie den Herstellern Spielräume zur Optimierung des Treibstoffverbrauchs und damit der Schadstoffemissionen. Als Ergebnis liegt der tatsächliche Verbrauch in der Regel klar über den unter Idealbedingungen ermittelten. Die Konsequenzen aus dieser Praxis liegen auf der Hand. Es muss untersucht werden, ob VW ein Einzelfall ist und wie praxisnahe Abgasmessungen erreicht werden.

Spätestens an dieser Stelle steht auch die Politik dumm da. Denn dieses Problem ist lange bekannt. Wohl aus Sorge um die Absatzchancen der traditionell stärker motorisierten deutschen Autoflotten ließen Politiker die Dinge laufen. Niedersachsen als Großaktionär von VW hat zudem noch die undankbare Aufgabe zu klären, wie es zu den Manipulationen kommen konnte.

Es ist nach der normalen Lebenserfahrung kaum vorstellbar, dass die ausgeklügelte Software von einem einzelnen Verantwortlichen entwickelt und eingesetzt wurde. Selbst eine einsame Entscheidung irgendeiner Abteilung des Konzerns erscheint unrealistisch. Auch wenn Vorstandschef Martin Winterkorn davon nichts mitbekommen haben sollte, steht er am Ende doch in der Verantwortung.

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