Situation in der Ukraine - Der Wille fehlt

MOSKAU · Die Handys schweigen. Viele ukrainische Soldaten, die Debalzewo verteidigt haben, sind nicht mehr zu erreichen: vielleicht tot, vielleicht gefangen, vielleicht auf dem Rückmarsch.

Noch immer ist die Höhe der ukrainischen Verluste in Debalzewo unklar, inoffiziell ist die Rede von weit über 100 Gefallenen, die Zahl der Gefangenen dürfte höher sein.

Aber die viel beklagte demütigende Katastrophe für die ukrainische Armee hat nicht stattgefunden. Trotz aller triumphalen Ankündigungen der Rebellenführer ist ihnen und den massiv mitmischenden russischen Panzertruppen die Einkesselung des Gegners misslungen. Ein Großteil der Ukrainer hat sich - mehr oder weniger organisiert - abgesetzt.

Die Russen und ihre ostukrainischen Verbündeten haben einen strategischen wichtigen, aber völlig zertrümmerten Eisenbahnknoten erobert, die Ukrainer aber haben mit der Frontverkürzung ihre Lage gegenüber der Übermacht stabilisiert. Es gibt weiter Artilleriegefechte sowie blutige Kämpfe in den Vororten der strategisch ebenfalls wichtigen Hafenstadt Mariupol. Aber insgesamt hat sich die Front beruhigt.

Angesichts der militärischen Atempause erinnern sich die Kriegsparteien wieder daran, dass es einen Waffenstillstand gibt. Jene "Minsk 2" genannte Vereinbarung, die bei Debalzewo so schnell und gründlich zerbombt wurde, wie selten ein Waffenstillstand in der Militärgeschichte.

Jetzt tun Ukrainer wie Rebellen so, als wären die Waffen wirklich verstummt. Am Samstag tauschte man zweimal Gefangene aus. Dann erstaunten Kiew und Donezk mit der Ankündigung, ihre schweren Geschütze von der Front abzuziehen. Offenbar hofft Poroschenko, der als Autor des Friedensplanes gilt, die Rebellen seien nach der Einnahme Debalzewos militärisch zufriedengestellt. Und Minsk 2 könne man dadurch am Leben erhalten, dass man die laufenden kriegerischen Verstöße klein- bis wegrede. Besser eine verlogene Waffenruhe als offene Schlachten.

Auch die Gegenseite spielt gern Friedensprozess, verspricht den Abzug aller schweren Waffen bis zum 8. März. Aber auch das klingt nach Dampfplauderei. Bezeichnend die Klagen der OSZE-Beobachter, dass die Rebellen ihnen die Routen ihres Waffenabzugs verschweigen. Mit Grund, denn ein Großteil dieser schweren Waffen gehört zum Inventar der russischen Armee, deren Teilnahme am Krieg im Donbass Russen wie Separatisten hartnäckig leugnen.

Russland führt in der Ukraine einen hybriden Krieg, den es jetzt auch noch mit einem hybriden Waffenstillstand bemäntelt. Man veranstaltet Telefongipfelkonferenzen und Außenministertreffen im Normandie-Format, zieht virtuell Artillerie ab, real beschießt man den Feind weiter, mobilisiert neue Soldaten, kündigt die Einnahme neuer Städte an. Dem Kreml wie den Rebellen fehlt jeder politische Wille zu einer Friedenslösung in absehbarer Zukunft.

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