Einreiseverbote Signal an Russland

Es braucht kein diplomatisches Spezialwissen, um die richtige Beurteilung der russischen Einreiseverbote für 89 europäische Politiker, Beamte und Militärs zu treffen: Sie sind willkürlich, unangemessen, irgendwie halbstark. Ungleich schwerer ist die Beantwortung der Frage, wie der Westen mit dem Affront umgehen soll.

Zu den Konsequenzen seiner bisherigen Russland-Politik gehört es, dass die Druckmittel langsam ausgeschöpft sind. Die Sanktionen zeigen in Russland inzwischen durchaus Wirkung, allerdings leidet auch die heimische Industrie immer spürbarer darunter. Auch auf politischer Ebene ist Russland isoliert, am sichtbarsten durch den Ausschluss aus der G8-Runde der führenden Industrienationen. Der Zusammenhang zwischen den Einreiseverboten und dem am Wochenende stattfindenden G7-Gipfel ist mit Händen zu greifen.

Natürlich ist das eine billige, fast lächerliche Retourkutsche. Aber das darf die Frage nicht in den Hintergrund treten lassen, ob dieser Kurs der internationalen Isolierung Russlands auf Dauer klug ist. Russland wird geopolitisch dringend gebraucht: Von der Bekämpfung des islamistischen Terrors über den Klimaschutz bis hin zur Eindämmung der Flüchtlingsströme - ohne Russland geht es nicht. Die Sache hat aber auch eine psychologische Seite. Viele Russen haben den Verlust an Einfluss im Zuge der europäischen Umwälzungen seit den späten

80er Jahren als Kränkung empfunden. Wladimir Putin sieht es - im Einklang mit weiten Teilen der Bevölkerung - als seinen Auftrag an, Moskaus einstige Größe wieder herzustellen. Das bezieht sich nicht nur auf territoriale Aspekte, sondern auf die Wiederaufrichtung des alten Prestiges. Rational ist das nicht, aber auch Stolz und Respekt sind handlungsleitende Impulse in der Politik.

Deshalb kann es nicht klug sein, wenn der Westen die Beziehungen zu Russland de facto einfrieren will, bis eine Lösung im Ukraine-Konflikt etabliert ist. So wie die Dinge liegen, wäre es nämlich schon ein beträchtlicher Erfolg, wenn bei weiter ungeklärten Verhältnissen die Waffen dauerhaft schwiegen. Politisch offen und ungeklärt wird das Ukraine-Problem noch sehr lange bleiben. So lange aber kann sich keine Seite eine Periode der Sprachlosigkeit und der hohlen Gesten leisten.

Der G7-Gipfel wäre kein schlechter Anlass, wenigstens das Signal zu setzen, dass es nicht das Ziel des Westens ist, Russland dauerhaft auszugrenzen. Es ist wahr: An westlichen Gesprächsangeboten hat es nicht gefehlt, und Russlands Reaktionen waren unbefriedigend. Aber es gibt keine Alternative, wieder und wieder Gesprächsfäden zu knüpfen. Und nicht selten ist es auch in der Politik so, dass der Ton die Musik macht. Man muss Putin nicht hofieren. Aber mit Respekt muss man Russland begegnen. Und das schon aus eigenem Interesse - vor allem Europas. In Washington mag man anders denken.

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