Seehofers Attacken auf den Mindestlohn - Krokodilstränen

BERLIN · Horst Seehofer hat ja eigentlich Recht: Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes hat natürlich dazu geführt, dass auch massiv schädliche Bürokratie aufgebaut wurde.

Die Berichtspflichten der Personalabteilungen sind kräftig ausgeweitet worden. Es muss dort nun permanent nachgewiesen werden, dass niemand für weniger als 8,50 Euro Stundenlohn arbeitet. Weil das aber in Branchen, wo etwa nach Stücklohn bezahlt wird, nicht so ganz einfach ist, artet die Sache mit dem Papierkram aus.

Nur: Die Krokodilstränen, die der CSU-Chef nun vergießt, hätte er sich ersparen können. Der Normenkontrollrat, das ist so etwas wie der Bürokratie-Tüv, hatte im Vorfeld der Verabschiedung just vor diesem Phänomen gewarnt. Die Expertentruppe, die im Bundeskanzleramt angedockt ist, prüft bei jedem Gesetzesvorhaben, ob es mit dem übergeordneten Ziel der Bundesregierung vereinbar ist, schädliche Bürokratie abzubauen. Das Problem ist nur, dass Seehofer und alle anderen maßgeblichen Politiker der Koalition diese Warnungen in den Wind geschlagen haben.

Noch erklärt der CSU-Politiker, abgesehen von der Bürokratie sei er ein Anhänger der einheitlichen Lohnuntergrenze. Sie ist ja gerade erst seit einigen Tagen in Kraft. Wer weiß, womöglich wird Seehofer in einigen Monaten oder Jahren beklagen, dass der Mindestlohn Jobs im Niedriglohnbereich kaputt macht und die Jugendarbeitslosigkeit erhöht. Vielleicht erinnert er sich dann ja daran, dass auch davor die Kritiker eines flächendeckenden Mindestlohns einst gewarnt haben.

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