Politischer Aschermittwoch Schweigen im Walde

Nehmen wir mal an - was schwer fällt -, es hätte den Fall des Christian Wulff nicht gegeben und auch nicht die Euro-Krise. Was wäre dann gewesen? Was hätte die Politik gemacht?

Der politische Aschermittwoch ist in normalen Jahren der Tag, an dem man anderen die Leviten liest, auf Leerstellen in der Politik hinweist, Fortschritte, Reformen anmahnt (oder anpreist). Dieses Jahr: Nichts von allem. Schweigen im Walde. Und das lag nur zum kleinen Teil daran, dass sich der, der normalerweise am lautesten poltert, der CSU-Chef, diesmal zurückhalten musste, weil er derzeit den Bundespräsidenten i.V. gibt.

Man kann es auch krasser formulieren: Es gibt derzeit keine Innenpolitik. Und damit ist nicht gemeint, dass alle auch für Deutschland wesentlichen Entscheidungen mittlerweile in Brüssel fallen. Damit ist gemeint: Die Koalitionsregierung in Berlin, das Eurothema ausgenommen, regiert nicht, sondern wartet ab. Die FDP wartet ab, ob sich die Rücksichtslosigkeit gegenüber dem großen Partner demnächst in Stimmen auszahlt. Denn wenn nicht, wird sie ausgezählt. Philipp Rösler freut sich über seinen Gauck-Coup wie ein kleiner Junge und merkt gar nicht, wie vergrätzt Mutter Merkel ist.

Die ist ansonsten die meiste Zeit in Brüssel und/oder Paris, hat also für andere Themen, die diese Legislaturperiode bestimmen könnten, keinen Kopf mehr. Da gibt es der Beispiele genug. Die Energiewende etwa. Geboren ja auch nicht aus einem langfristigen Reformimpuls, sondern als spontane Reaktion auf die Katastrophe von Fukushima, die sich im kommenden Monat jährt.

Raus aus der Kernkraft, rein in die regenerativen Energien. Wo war Röttgen?, möchte man fragen, um das Zitat eines berühmten Sportmoderators zu variieren. Man hört ihn kaum, man sieht ihn selten, die Wende ist irgendwie stecken geblieben.

Wie andere Themen auch: Was ist mit der umfassenden Reaktion auf den rechten Terror im Land? Ein Terror, der Bevölkerung und Verantwortliche weit weniger aufregt und bewegt als der linke Terror vor Jahrzehnten. Oder die Gesundheitsreform? Versprochen, versprochen und immer noch nicht ausgeführt. Offenbar muss erst wieder die nächste Finanzkrise zum Handeln zwingen.

Apropos Finanzkrise: Auch beim nächsten großen Thema Fehlanzeige. Dabei muss doch jedem klar, sein, dass das Problem der strukturellen Überschuldung dieses Landes (nicht nur Griechenlands) nicht dadurch gelöst wird, dass man nicht mehr drüber redet.

Was für die nicht vorhandene Innenpolitik gilt, gilt ähnlich für die kaum vorhandene Außenpolitik: Regulierung der Finanzmärkte als Folge von Banken- und Euro-Krise? Kommt nicht voran. Unterstützung der Länder des Arabischen Frühlings? Trotz Westerwelles Reisediplomatie: Kein Thema. Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit. Politische Abstinenz ist damit nicht gemeint.

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