Kommentar SPD - Steinbrücks Dilemma

Kein Zweifel: Es läuft nicht gut für Peer Steinbrück. Die Präsentation der letzten drei Kandidaten seines Wahlkampfteams stand im tiefsten Schatten seiner Entscheidung, sich von seinem Sprecher und bisher wichtigsten Berater, Michael Donnermeyer, zu trennen.

Die Intention ist klar: Steinbrück braucht neuen Schub. Er muss relativ zügig den Eindruck tilgen, die Wahlschlacht sei schon geschlagen, bevor er seine innerparteiliche Kavallerie in Stellung gebracht hat. Bisher konnte er den demoskopischen Rückstand zwischen zehn und 15 Prozentpunkten nicht einmal minimal mildern.

Die gestrige Kandidatenpräsentation zeigte zwar durchaus beeindruckende Biografien in Sachen sozialer Gerechtigkeit. Von zwei, drei Ausnahmen abgesehen - zu ihnen zählen gewiss Karl Lauterbach, Klaus Wiesehügel und Brigitte Zypries - hat das Steinbrück-Team aber gewiss keine großartig mobilisierende Wirkung auf den Wähler. Steinbrück mied bisher die Konfrontation um jeden Preis.

Das ist sein persönlicher Wahlkampfstil. Er hat seine Berechtigung, weil der frühere Bundesfinanzminister vier große Koalitions-Jahre auf das Beste mit Amtsinhaberin Angela Merkel zusammengearbeitet hat. Aber es widerspricht eben der Erkenntnis, dass über das Werben an die Adresse der Wechselwählerschaft der Blick auf die Stammwähler nicht vergessen werden darf. An diesem Spagat ist - Beinfreiheit hin oder her - der Kanzlerkandidat vorerst gescheitert. Der Rausschmiss seines Sprechers wirkt wie ein aus extrem tiefer Hoffnungslosigkeit gespeister Verzweiflungsakt.

Nur der Gerechtigkeit halber: Steinbrück stößt auch auf ein schwieriges innenpolitisches Umfeld. Die größte Gefahr ist das allgemeine Wohlgefühl in der Bevölkerung des Industriestaates, der von allen Wirtschafts- und Währungskrisen nicht zentral betroffen ist. Die Deutschen haben in ihrer Mehrheit Verständnis für den konfliktvermeidenden, reichlich präsidialen Führungsstil der Kanzlerin.

Grobe taktische Fehler - wie ihre sozialpolitische Wohltaten-Offensive - fallen in einem Land nicht ins Gewicht, in dem die Menschen den Politikern sowieso immer weniger glauben. Führungsfehler wie rund um den Euro Hawk werden dem zuständigen Minister zugerechnet. An der hochpopulären Merkel perlt das alles ab. So als ob sie das alles nichts angeht. Die Bevölkerung ist mit der Berliner Politik halbwegs zufrieden.

Die SPD und ihr Kandidat dürfen sich nicht allzu viele Hoffnungen machen. Der Vergleich mit Schröders Aufholjagd 2005 hinkt. Der konnte seinen Wahlkampf als Amtsinhaber führen, Steinbrück bleibt die undankbare Herausfordererrolle. Das Beste, was er nach Lage der Dinge erreichen kann, ist ein Ergebnis, das der SPD die Option für eine große Koalition bietet - auch wenn er einem Merkel-Kabinett nicht angehören will.

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