Kommentar Regierungsumbildung in Frankreich - Brisantes Machtwort

Frankreich erlebt ein politisches Erdbeben. Wer François Hollande bislang für einen entscheidungsschwachen Politiker gehalten hat, wurde gestern überrascht von der Ankündigung einer Regierungsumbildung, die der aufmüpfige Parteilinke Arnaud Montebourg wohl nicht überstehen wird.

Nachdem ausgerechnet er als Wirtschaftsminister permanent die Wirtschaftspolitik seiner Regierung kritisiert hatte, waren Montebourgs jüngste Forderung nach einer Abkehr von der "dogmatischen" Sparpolitik und die Spitzen gegen Deutschland und Kanzlerin Angela Merkel für ihre "extreme Orthodoxie" eine Provokation zu viel. Der bekennende Globalisierungskritiker sprach nicht für Frankreich, sondern nur für einen Flügel seiner Partei.

Mit seinem Machtwort, dem echte Taten folgen, beweist Hollande an der Seite seines zupackenden Premierministers Manuel Valls jene Autorität, die er seit seinem Amtsantritt meist vermissen ließ. Zu oft hat er Reformvorhaben zurückgenommen, sobald sich Widerstand formierte. Zu schwammig formulierte der Präsident bislang seinen Kurs, um den Franzosen den Eindruck einer klaren und verlässlichen Linie vermitteln zu können. Kaum einer hält ihn noch für fähig, das Land aus der Krise zu führen.

Zumal ihn Brüssel unter Druck setzt, 2015 die Defizitvorgabe von drei Prozent des Brutto-Inlandsproduktes einzuhalten, nachdem Frankreich bereits ein Aufschub von zwei Jahren gewährt wurde. Hollande versucht den Spagat zwischen einem gemäßigten Sparkurs einerseits und den Appellen der Linken nach einer sozialeren und ausgabenfreudigeren Politik andererseits.

Umso wichtiger ist jetzt das Signal: Wer nicht hinter diesem Kompromiss steht, fliegt aus dem Kabinett. Die Umbildung kann aber auch eine Chance sein, eine schlagkräftige und geschlossene Mannschaft zu bilden, wie sie mit Montebourg ohnehin nicht möglich war.

Der brillante Rhetoriker weiß um seine Beliebtheit und nutzte sein politisches Gewicht, um seine eigenen Ansichten einzubringen. Bei der letzten Regierungsumbildung wurde er befördert, eben um der unzufriedenen Parteilinken entgegenzukommen.

Nun wird er zur tickenden Bombe, denn mit seiner Forderung nach einem Ende des "Spardiktats" steht er keineswegs alleine. Vielmehr wird der Richtungsstreit um den Ausweg aus der Krise weiter angefacht. Den Rebellen unter den sozialistischen Abgeordneten, die ihre Zustimmung zum Haushaltsplan verweigerten, fehlte bislang noch ein wortgewaltiger Anführer, der sogar die Partei zur Spaltung bringen könnte - im ausgebildeten Anwalt Montebourg könnten sie ihn gefunden haben. Mit seiner - voraussichtlichen - Entlassung hat Hollande ein Problem gelöst und zugleich ein neues geschaffen. Weitere Erdbeben sind nicht auszuschließen.

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