Raumfahrt - Neues Wissen

Das Objekt des menschlichen Wissendrangs liegt aktuell 500 Millionen Jahre von der Erde entfernt und damit 1250 Mal weiter als der uns vertraute Mond.

Schon deshalb ist es nicht abwegig, den gestrigen Esa-Coup mit der ersten Mondlandung der Nasa 1969 zu vergleichen - unabhängig davon, ob das Landegerät nun aufrecht oder schief oder nur halb verankert im Kometengrund steht. Gegenüber unserem bestens kartierten Erdtrabanten ist der Komet tatsächlich ein unbekanntes Objekt aus weitgehend unbekanntem Baumaterial.

Einstweilen überwiegt die Zuversicht, dass der Gipfel europäischer Ingenieurskunst vielleicht einige letzte Fragen beantwortet: Wo kommen wir her? Wer hat den Keim für Leben auf der Erde gelegt? Ein Gott, der Zufall des richtigen Sonnenabstands oder eine Art Flaschenpost über einschlagende Kometen? Sind wir allein (und einsam) im Kosmos? Oder ist Leben im All Massenware?

Die technologische Herausforderung der Mission war gewaltig, und die imponierende Technik verstellt etwas den Blick für das eigentliche Motiv: die Wissensgier des Menschen. Kosten? Mehr als eine Milliarde Euro. Nutzen? Mehr Wissen. Eine Debatte in Europas von Rendite, Effizienz und Wachstumsfetisch getriebenen Gesellschaften über den Sinn dieser Milliarde hat nicht stattgefunden. Das ist an sich erstmal eine frohe Botschaft. Denn grundsätzliche Fragen, zuweilen als Sinnfragen bezeichnet, bleiben und treiben Menschen nach Antworten. Dran hat sich seit Galilei und Kopernikus nichts verändert.

Die Aufnahmen und Messungen zum Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko korrigieren auch schon manche Vorstellung, die der Mensch sich aus der Ferne über die "schmutzigen Schneebälle" zusammengebraut hat. Wir interpretieren die fremden Welten gerne durch unseren irdischen Erfahrungs- und Erkenntnisfilter - und nicht zuletzt auf Basis bestehenden Wissens.

Wie sollte es auch anders sein? "Tschury" zeigt sich schmutziger als schmutzig, geradezu pechschwarz, und das Runde ist eckige Trümmerwüste. Erste Analysen der Rosetta-Daten über die Kometen-Ausdünstungen lassen Wissenschaftler frohlocken: Er scheint keine eisige, neutrale Angelegenheit zu sein, sondern verströmt ein Parfüm, das nach einer Mischung aus Fäulnis, Mandelbitter und Pferdestall riecht.

Vor Hunderten Jahren interpretierten die Menschen Kometen noch als als himmlische Vorboten von kleineren und größeren Katastrophen. Pest, Katzensterben, Stürme, Herings-Vertreibung, Kriege. Sie passten nicht ins Bild der von höheren Mächten gefügten - Sonne, Monde, Planeten - Ordnung und galten als Störenfriede irdischer Abläufe. Neues Wissen verändert die Welt. Und gestern sind Roboter aus Menschenhand auf einem dieser "bösen Chaoten" gelandet.

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