Kommentar Putin begnadigt Chodorkowski - Brot und Spiele

Freiheit für Michail Chodorkowski. Man kann es kaum glauben. Der russische Präsident Wladimir Putin will den einstigen Ölmagnaten begnadigen. Zufall? In 50 Tagen beginnen die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Putin gibt Brot und Spiele, er gewährt Geld und Freiheit.

Ganz, wie es nach Lage günstig erscheint. Spiele für die Welt - bei maximaler Ausbeutung der Natur. Großzügige Gasrabatte und Milliarden-Sofortkredite für die nach Europa abdriftende Ukraine. Und eben die Aussicht auf Haftverschonung für den einstigen Ölmagnaten Michail Chodorkowski, den Putin wie seinen ganz persönlichen Staatsfeind Nummer eins behandelt hat.

Russische Willkürjustiz hat Chodorkowski (und seinen Geschäftspartner Platon Lebedew) ins Gefängnis und zur härteren Strafe auch noch nach Sibirien gebracht, als er den Staatsmächtigen als politischer Gegenspieler zu groß und zu einflussreich zu werden drohte. Seit zehn Jahren kämpft Chodorkowski um sein Recht und um seine Freilassung und ging dazu bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Erfolglos.

[kein Linktext vorhanden]Im Riesenreich Russland wie auch in vielen seiner Satellitenstaaten herrscht das Recht des Stärkeren und nicht die Stärke des Rechts. Das hat Chodorkowski mit entscheidenden Lebensjahren hinter Gittern bezahlen müssen. Und das muss auch die ehemalige ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko seit zwei Jahren erleben, die, siehe analoger Vorwurf zum Fall Chodorkowski, sich gleichfalls auf Kosten des Staates bereichert und Gasverträge mit Russland (!) zum Nachteil der Ukraine abgeschlossen haben soll.

Jetzt gibt Putin den Verfechter von Menschen- und Freiheitsrechten. Es ist ein bizarres Theater unter der Regie des Kreml. Zar Wladimir begnadigt Chodorkowski, den der russische Inlandsgeheimdienst FSB 2003 wegen angeblichen Öldiebstahls festnehmen ließ. Weil Putin schon dabei ist, begnadigt er gleich auch noch die Musikerinnen der Punkband "Pussy Riot". Und auch 30 Umweltschützer von Greenpeace fallen unter den Gnadenakt. Das soll gut für das Image sein. Freie Winterspiele in einem freien Russland. Nun gut, auch solche Wintermärchen sollen der Welt da draußen schließlich erzählt werden.

Tatsächlich zieht Putin die Daumenschrauben nach Belieben an, und er gibt Zuckerbrot, wenn es die Lage verlangt oder er davon profitiert. Wie gesagt, hier wird ein Wintermärchen aufgeführt. Von einem bei seiner Jahrespressekonferenz bestens aufgelegten russischen Präsidenten. Putin macht sich und Russland hübsch für die Welt. Dafür darf Chodorkowski von der Unfreiheit eines Gefängnisses in die relative Freiheit der russischen Wirklichkeit. Nach Sotschi wird der Vorhang für dieses absurde Theater wieder fallen. Dann ist Putin wieder der, der er immer war. Ein Machthaber ohne Skrupel.

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