Kommentar Pfarreraufstand im Erzbistum Köln - Sorge um die Seelsorge

"Einen neuen Aufbruch wagen." Das war das Leitwort des Katholikentages vor sechs Wochen in Mannheim. Zehn Pfarrer aus dem Kölner Erzbistum haben dieses Motiv wörtlich genommen und wollen - ähnlich wie zuvor Kollegen in Österreich und im Erzbistum Freiburg - auch in ihrer Diözese diesen Aufbruch wagen.

Allein das zeugt schon von großem Mut angesichts der Tatsache, dass die Kölner Kirchenleitung kritischen Priestern nicht selten Sanktionen auferlegt.

Dabei proben die zehn Pfarrer mit vielen ihrer Forderungen nicht den großen Aufstand gegen Joachim Kardinal Meisner und die Bistumsverwaltung, sondern sie zeigen an ganz konkreten Beispielen auf, dass es nicht mehr so weiter gehen kann wie bisher.

Nein sagen sie etwa dazu, dass Priester immer mehr Pfarreien übernehmen sollen, "weil uns das zu reisenden Zelebranten und Sakramentenspendern macht, denen die eigentliche Seelsorge entgleitet". So fänden sie keine spirituelle Heimat und könnten auch keine anbieten. Zumal die Verwaltungstätigkeit oft überhand nimmt. Wer auch nur ein wenig Einblick in die katholische Kirche hat, der kann all das sehr gut nachvollziehen.

Der Pfarrer ist heute eher Chef eines mittelständischen Unternehmens denn Seelsorger. Ob beim Personalgespräch im Kindergarten, der Beratung mit Baufirmen, Überlegungen zur Finanzierung von Projekten, Kontakten mit der Diözesanverwaltung oder Sitzungen mit Kirchenvorstand, Pfarrgemeinderat und anderen Gremien.

Mit Seelsorge hat all das kaum etwas zu tun. Kein Wunder, dass sich zahlreiche Priester überfordert fühlen, viele von ihnen froh sind, im zweiten Glied wirken zu können und keine Leitungsfunktion haben zu müssen.

Natürlich hat all das mit den zurückgehenden Priesterzahlen zu tun. Eine schlüssige Antwort auf die daraus entstandenen Probleme hat die Kirche aber noch nicht gefunden. Dass man den leitenden Pfarrern Verwaltungsfachleute an die Hand gibt, ist sicher richtig, die Verantwortung für wichtige Entscheidungen nimmt ihnen aber keiner ab.

Mit der Vergrößerung der Gemeinden ist es jedenfalls auch nicht getan. "Wir müssen über den eigenen Kirchturm hinaus sehen", heißt es immer wieder von Diözesanleitungen in ganz Deutschland, wenn es in Ermangelung von Priestern um die Zusammenlegung oder Auflösung von Pfarreien geht.

Aber wo, wenn nicht in der Kirche vor Ort kann am ehesten eine emotionale Bindung zum Glauben wachsen? Es lohnt sich, über Modelle nachzudenken, die es ermöglichen würden, dass Laien - Frauen wie Männer - mehr als bisher Leitungsfunktionen in der katholischen Kirche übernehmen.

Nicht erst seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals haben sich viele früher engagierte Christen aus dem Gemeindeleben zurückgezogen. Viele von ihnen haben innerlich resigniert, weil sie gesehen haben, dass neue Ideen von Priestern und Laien schnell wieder von Köln, wie es oft heißt, kassiert worden sind.

Vielleicht sind die zehn rebellierenden Pfarrer wirklich so etwas wie eine Keimzelle, aus der heraus neues Leben in der Kirche wächst.

Kardinal Meisner und die Kirchenleitung sollten den Vorstoß der Pfarrer jedenfalls nicht verdammen und sich ernsthaft mit ihren Anliegen befassen. Allein die Diskussion darüber kann die Kirche schon voranbringen. Dass der neue Personalchef morgen mit ihnen ein erstes Gespräch führen möchte, ist zunächst einmal ein ermutigendes Zeichen.

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