Kommentar Parteitag der Piraten in Bochum - Nicht realitätstauglich

Ja, man kann sich darüber freuen, dass diese neue Partei mehr junge Leute für Politik begeistert. Die Piraten mischen die etablierten Parteien auf, werben für Transparenz und lenken den Blick auf die Chancen, die in den neuen Medien stecken.

Sie sind bunt, kreativ, chaotisch. Sie sind unterhaltsam - und zuweilen ganz schön nervig. Aber bringen sie Deutschland wirklich weiter? Sollen wir uns wünschen, dass sie in einem Jahr den Bundestag entern und als mögliches Zünglein an der Waage der Politik eine entscheidende Richtung geben?

Es gab eine Chance, auf dem Parteitag in Bochum die unzähligen programmatischen Leerstellen mit belastbaren Inhalten zu füllen und noch einmal zu demonstrieren, inwiefern sie besser sein wollen als die "Anderen". Das Ergebnis ist für jene, die entsprechende Erwartungen hatten, ernüchternd.

"Hurra, wir haben ein Wirtschaftsprogramm!", wurde da etwa getwittert. Doch wer in die Tiefen hinabsteigt, der entdeckt einen ungeordneten Gemischtwarenladen: Ein bisschen Mindestlohn und Mindestrente für die Linken, Bekenntnisse zur Marktwirtschaft für Liberale und Konservative, mal mehr, mal weniger Regulierung, Ordnungspolitik, Nachhaltigkeit.

[kein Linktext vorhanden]Ach ja, und Grundlage soll ein "humanistisches Menschenbild" sein. Wunderbare Worthülsen sind das, die keiner Entzauberung mehr bedürfen. Wie eine "bedingungslose Existenzsicherung für alle" in der realen Regierungswirklichkeit zu bezahlen wäre, wird natürlich nicht beantwortet. Da unterscheiden sich die Piraten keinen Deut von populistischen Oppositionsparteien wie den Linken.

Dass das Wirtschaftsprogramm in einem stundenlangen, sehr komplizierten basisdemokratischen Verfahren entwickelt wurde, macht es nicht besser. Auch sonst haben sich die Piraten schnell einige Unsitten von den "Etablierten" abgeguckt. Wenn es in den Umfragen steil bergab geht, sind natürlich "die Medien" schuld, wie es in Bochum tönte.

Das erinnert an den Kanzlerkandidaten der SPD, der sich gerade mal wieder ungerecht von der "Journaille" behandelt sieht. Und dann sind da noch die Machtkämpfe an der Spitze der Piraten. Parteichef Bernd Schlömer und sein Geschäftsführer Johannes Ponader sind sich in etwa so grün wie FDP-Chef Philipp Rösler und der FDP-Fraktionschef aus Kiel, Wolfgang Kubicki.

[kein Linktext vorhanden]Überhaupt Ponader. Eine Partei, die sich weiterhin einen solchen Geschäftsführer leistet, gibt damit ein klares Statement ab. Wenn der selbst ernannte arbeitslose Lebenskünstler mit seinen Sandalen in die Talkshows der Republik schlufft, um sich dann mehr auf sein Smartphone als auf die Diskussionsteilnehmer zu konzentrieren, die real vor ihm sitzen, dann wirkt das weniger originell denn pathologisch. Da sucht man unweigerlich den Ausknopf vom Fernseher - oder vom Computer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Nicht ohne Nachteil
Kommentar zur Wahlrechtsreform Nicht ohne Nachteil
Bekenntnis zur Truppe
Kommentar zum Veteranentag Bekenntnis zur Truppe
Wieder ein Endspiel?
Kommentar zur krieselnden Ampel-Koalition Wieder ein Endspiel?
Aus dem Ressort