Kommentar Das Lehrschreiben des Papstes - Eine Kampfansage

Man kann das Apostolische Schreiben "Evangelii Gaudium" als Dokument der Aussöhnung lesen. Formuliert der Papst doch Rezepte, wie die katholische Kirche nach Jahren der Entfremdung von den Gläubigen wieder Glaubwürdigkeit erlangen kann.

Man kommt aber nicht umhin, in dem Schreiben auch neue Konfliktherde auszumachen. Denn Franziskus beschreibt die Kirche als Hort der Starre. Will der Papst mehr als neuen Wind in das verkrustete System bringen, sind schwere Grabenkämpfe im Vatikan zu erwarten.

Seine Forderung nach "heilsamer Dezentralisierung", nach "authentischer Lehrautorität" der nationalen Bischofskonferenzen nimmt eine Konfrontation mit dem bisherigen Selbstverständnis der katholischen Kirche in Rom vorweg. Das Dokument ist eine indirekte Kampfansage an die Glaubenshüter in Rom.

Franziskus weckt Hoffnungen bei den Reformkräften, die er womöglich nicht erfüllen kann. In Deutschland hat der Fall der Freiburger Seelsorge-Handreichung Aufsehen erregt, weil Wiederverheiratete unter bestimmten Voraussetzungen wieder zur Kommunion zugelassen werden sollen. Ist das Teil einer Dezentralisierung, wie sie dem Papst vorschwebt?

Die Maßnahme steht im Gegensatz zur bisherigen Doktrin. Rasch wurde die Handreichung von der Glaubenskongregation kassiert. Franziskus kann einen offenen Kurs in konkreten Glaubensfragen nur dann glaubwürdig vertreten, wenn er den Konflikt mit den eigenen Funktionären in Fragen wie dieser nicht scheut.

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