Kommentar Ostukraine - Aggressiv

Moskau · Was die Sabotage des Minsker Friedensprozess angeht hat die Kiewer Regierung die prorussischen Rebellen in der Ostukraine inzwischen abgehängt.

Seit einem halben Jahr trampeln die Konfliktparteien in der Ostukraine auf dem Friedensabkommen Minsk II herum: Trommelfeuer der prorussischen Truppen statt Waffenstillstand, Mauern beim Aushandeln der vorgesehenen Regionalwahlen, Verschleppung des Gefangenenaustausches und des Abzugs der russische Kämpfer aus der Ukraine, ukrainisches Zeitschinden statt Verfassungsreform.

Inzwischen aber hat Kiew die Rebellen im Bemühen, "Minsk II" endgültig zu begraben, abgehängt. Statt der dort geforderten Wiederherstellung normaler sozialwirtschaftlicher Beziehungen zum abtrünnigen Donbass veranstaltet die Ukraine eine immer heftigere Blockade. Statt wieder Renten, Arzt- und Lehrergehälter zu zahlen, verbietet Kiew alle Warenströme, selbst den Autobusverkehr in die Rebellenrepubliken. Ukrainer, die dorthin wollen, warten monatelang auf ihre Passierscheine, und viele Stunden vor den Kontrollpunkten, wo man sie schikanös langsam abfertigt. Kiew missachtet mit Wonne die Reisefreiheit der eigenen Bürger.

Kein Wunder, dass viele Ostukrainer den eigenen Staat immer häufiger zum Teufel wünschen, dass das Donbass immer russischer wird. Statt Griwnja rollen dort zusehends Rubel, mangels ukrainischer Arzneien suchen Donezker Apothekenketten Lieferanten aus Russland, auch wenn diese doppelt so teuer sind. Statt ukrainischer Gorilka steht russischer Wodka in den Ladenregalen.

Die ukrainische Armee verzichtet wohlweißlich auf Offensiven, der Sommer 2014 hat gelehrt, dass sie nur Gegenstöße der übermächtigen russischen Armee provozieren. Aber ansonsten schadet man den Rebellen mit allen Mitteln. Kiew ist passiv-aggressiv geworden.

Politologen vermuten, Poroschenko spekuliere auf den Kalten Krieg, der eine Etage höher gespielt wird, zwischen Russland und dem Westen. Angesichts dessen stabil harter Haltung sowie der offensichtlichen Wirtschaftsprobleme Russlands wolle er nun den Druck auf die Rebellen und ihre russischen Hintermänner erhöhen. Aber außenpolitisches Kalkül, auch innere Korruption dürften für einen erklärten EU-Anwärterstaat kein Grund sein, seine Landsleute wie Feinde zu behandeln. Warum legt Kiew es darauf an, alle legalen Wirtschaftskanäle, vor allem aber alle menschlichen Fäden zum Donbass zu kappen?

Es scheint keine logisch befriedigende Antwort für den Separatismus gegenüber den eigenen Bürgern zu geben.

Sinn macht er nur, wenn Poroschenko und seine Führungsmannschaft das Rebellengebiet insgeheim endgültig abgeschrieben haben. Und nun alle Leinen lösen, auf dass es davon schwimme, Richtung Russland.

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