Kommentar Organspende - Das Misstrauen bleibt

Vertrauen ist ein empfindlich Ding. Es braucht sehr lange, um zu wachsen. Es ist sehr rasch zerstört. Es danach zu reparieren, dauert noch länger. Das zeigt sich jetzt wieder bei einem überaus ernsten Thema: Die Zahl der Organspender ist auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gefallen. Das ist schlimm. Aber es ist auch sehr verständlich.

"Spende" heißt: Wer etwas herschenkt, der möchte wissen, wo es hingeht. Das gilt für jeden einzelnen Euro in der Sammelbüchse. Das gilt erst recht für mein Innerstes, das ich oft erst nach meinem Tode verschenken kann.

In Deutschland sind kostbare, im Wortsinne "lebens-wichtige" Dinge nicht so verwendet worden, wie es die Menschen wollten, die sie hergegeben hatten. Bekommen hat diese Dinge nicht, wer sie am dringendsten brauchte - sondern wer die besten Beziehungen zur Warteliste hatte. Der Jura-Laie denkt: Das war keine Spende mehr, sondern Diebstahl. Selbst falls es nur wenige Fälle waren - das lässt die Sache nicht weniger laut zum Himmel schreien.

Ärzte, Forscher, Politiker sagen jetzt unisono, die Missstände seien abgestellt. Es gibt keinen Grund, ihnen nicht zu glauben; auch sie haben den Schaden aus dem üblen Tun Einzelner.

Trotzdem: Das Misstrauen bleibt. Es wird noch lange dauern, bis das mit dem Dampfhammer zerschlagene Porzellan gekittet ist. Wer den verunsicherten Menschen dies Misstrauen jetzt vorwerfen wollte, der griffe zu kurz. Denn Herz und Nieren sind zu wertvoll, um damit Schindluder zu treiben.

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