Kommentar Neuer Standort für Haribo - Zahlen entscheiden

BONN · Mehr als acht Jahre Bedenkzeit dürften ausreichen. Haribo-Chef Hans Riegel hat seine Neubau-Pläne in der Vergangenheit mehrfach angekündigt. Dass zumindest ein Teil des Gummibärchen-Imperiums Bonn jetzt verlässt, ist weder ein Versäumnis der Stadtverwaltung noch ein Fehler des Unternehmens.

Haribo ist zwar mit seiner Firmengeschichte tief in Kessenich verwurzelt. Doch am Ende entscheiden die Zahlen. In Bonn gibt es kein ausreichend großes Grundstück, auf das der Süßwarenhersteller hätte ausweichen könne, und um weiter wachsen zu können, braucht Haribo Platz. Die Entscheidung zum Neubau war überfällig. Auch im Sinne der Haribo-Mitarbeiter, die schon aus eigenem Interesse an einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung interessiert sind.

Hinter den Kulissen dürften sich die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ein erbittertes Ringen mit Förderungen und Vergünstigungen um den neuen Bärchen-Standort geliefert haben. Denn die wirtschaftlichen Konsequenzen der Neuorientierung des Unternehmens werden sich erst in einigen Jahren zeigen. Zumindest am Anfang werden die Steuereinnahmen auf der Grafschaft durch den Neuzugang aus Bonn gering sein.

Das geplante Hochregallager kommt mit wenigen Beschäftigten aus, und auch die Produktion wird mit vergleichsweise wenigen Stellen starten. Doch sollte Haribo weiter wachsen und eines Tages die unternehmerische Entscheidung treffen, dass Produktion und Verwaltung gemeinsam ihren Sitz im benachbarten Bundesland haben sollen, können sich die Rheinland-Pfälzer auf satte Gewerbesteuer-Einnahmen freuen. Dass Haribo sich auf der Grafschaft mit einem riesigen Grundstück alle Optionen offen hält, macht eine solche Entwicklung langfristig wahrscheinlich. Dazu kommt: Das Haribo-Gelände in Kessenich wäre für eine Wohnbebauung lukrativ nutzbar.

Auch künftig wird es schwierig sein, Industriebetriebe auf Bonner Stadtgebiet anzusiedeln oder auch nur zu halten. Selbst im Rhein-Sieg-Kreis werden mittlerweile die Flächen für größere Neubauten in Industriegebieten knapp. Bonn ist ein Dienstleistungsstandort, dominiert von Behörden, Post und Telekom - mit allen Vor- und Nachteilen. Bisher hat die Stadt vor allem von ihrer Wirtschaftsstruktur profitiert. Hier gibt es wenig Arbeitslosigkeit und eine hohe Kaufkraft. Verlierer sind ungelernte und schlecht ausgebildete Arbeiter, für die das Angebot auf dem Arbeitsmarkt knapp ist.

Der Firmensitz von Haribo steht der Stadt als internationales Aushängeschild gut zu Gesicht. Es wäre schlicht schade, wenn der Gummibärchen-Hersteller sich ganz aus Bonn verabschiedet. Für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt sind Lakritzschnecken und Fruchtgummis nicht entscheidend.

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