Kommentar Nach den Landtagswahlen - Farbenfroher Herbst

Auch herbe Wahlniederlagen können sogar noch etwas Bittersüßes haben. Thüringen ist so ein Fall für die SPD. Abgestraft auf noch gut zwölf Prozent und damit als Volkspartei fast unkenntlich gemacht, darf sich die Sozialdemokratie doch eines gewiss sein: Gegen sie kann im Freistaat Thüringen niemand regieren.

So viel zu Wahlniederlagen. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) braucht für eine weitere eigene Regierungszeit die SPD (und zur Sicherheit eventuell auch noch die Grünen). Bodo Ramelow kann ebenfalls nur erster Ministerpräsident der Linken werden, wenn SPD und Grüne ihn dazu machen, was derzeit noch völlig offen ist.

Es wird Wochen dauern, eventuell sogar Monate, bis sich die Parteien in Thüringen sortiert haben und klar ist, wer mit wem eine Koalition eingehen will und ob mitunter auch die Basis einem solchen Regierungsbündnis per Mitgliederentscheid grünes Licht gibt. Thüringen steht also ein farbenfroher Herbst bevor: Schwarz-Rot, Rot-Rot-Grün oder auch Schwarz-Rot-Grün.

Ein Wechsel zu Rot-Rot-Grün birgt für die möglichen Koalitionäre das Risiko, dass eine höchst uneinige Thüringen-SPD in ihrem Streit über die Öffnung hin zur Linken am Ende die Mehrheit eines einziges Mandates gar nicht sicherstellen kann. Zwar brauchte auch Ministerpräsidentin Lieberknecht 2009 wegen Abweichler bei Schwarz-Rot selbst drei Anläufe, bis im Landtag die fällige Mehrheit stand, was schon peinlich genug war.

Doch eine gänzlich neue und ohnehin schwierige Dreier-Koalition müsste einen glatten Start hinlegen, um mit dem Vertrauen, tatsächlich das Gemeinsame zu wollen, ins erste Regierungsjahr zu gehen. Außerdem müsste in der SPD die Erkenntnis reifen: Hätten die Wähler tatsächlich Rot-Rot-Grün gewollt, hätten sie die Sozialdemokraten nicht mit einem derart schwachen Votum ausgestattet.

Die CDU wiederum muss sich auch nach dieser dritten Landtagswahl binnen zwei Wochen eingestehen, dass ihr mit dem allmählichen Untergang der FDP die Partner fehlen, wenn es nicht permanent die große Koalition sein soll. Schwarz-Grün wird in Hessen gerade in einem Flächenland erprobt und läuft bislang erstaunlich geräuschlos.

Aber mit der Devise, die Alternative für Deutschland (AfD) zu ignorieren und Koalitionen mit ihr auszuschließen, hat es die CDU bislang nicht geschafft, die Populisten klein zu halten. Die jüngsten Wahlen haben gezeigt, dass die etablierten Parteien die AfD ernst nehmen müssen, auch wenn noch längst nicht ausgemacht ist, wie lange ihre Argumente auch genügend Zuspruch finden.

Der schnelle Erfolg ist eine Sache. Doch genauso schnell hat sich eine Protestpartei auch zerlegt. Noch taugt die AfD nur zu einer Episode. Ob es dabei bleibt, liegt an den Alternativen - am Angebot der Konkurrenz.

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