Kommentar NSU-Prozess - Täter und Opfer

Mehr als zweieinhalb Jahre hat die Hauptangeklagte des Münchner NSU-Prozesses geschwiegen. Beate Zschäpe hörte zu, während Zeugen und Sachverständige aussagten: Über ihre Rolle in der beispiellosen Mord-, Raub- und Attentatsserie des Nationalsozialistischen Untergrunds, über ihre Persönlichkeit, über ihre Beziehung zu Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, den NSU-Tätern.

Zschäpe hätte, wenn sie daran interessiert gewesen wäre, an der Aufklärung der NSU-Verbrechen mitzuwirken, sicher früher aussagen können. Sie hätte, wenn ihr daran gelegen gewesen wäre, schon längst ein Wort der Reue an die Opfer und deren Angehörige richten können.

Nun hat Zschäpe geredet, beziehungsweise reden lassen. Alleine die Tatsache, dass sie ihren Anwalt für sich sprechen ließ und Nachfragen auch in Zukunft nur schriftlich beantworten lassen will, mindert den Wert ihrer Äußerungen. Alle Angaben sind vom Anwaltsteam auf Punkt und Komma geprüft und zwangsläufig Teil einer Prozessstrategie. Rein taktisch motiviert erscheinen deshalb auch die Worte, die Reue signalisieren sollen. Ihre Worte? Die ihrer Rechtsvertreter?

Die Empörung der Nebenkläger, die nichts davon glauben können, ist nachvollziehbar. Aufgrund ihrer eigenen Aussagen hat Zschäpe weit mehr als die von ihr selbst akzeptierte, stark verharmlosende "moralische" Mitschuld auf sich geladen. Immerhin gibt sie zu, von den Morden und Anschlägen gewusst zu haben, und beteiligte sich dennoch aktiv daran, das NSU-Untergrundleben zu organisieren.

Wie soll das Gericht mit einer Erklärung umgehen, deren Kern darin besteht, jene Komplizen zu belasten, die sich durch Selbstmord dem Zugriff der Justiz entzogen haben? Sich selbst inszeniert die Angeklagte als tragisches, in einem von Liebe und emotionaler Abhängigkeit geprägten Dreiecksverhältnis gefangenes Opfer mit unglücklicher Kindheit.

Diese Version der Ereignisse dient auf beinah aufdringliche Weise dem durchsichtigen Ziel, Schuld und Verantwortung abzuwälzen. Die Täter? Immer die anderen, Böhnhardt, Mundlos, die weiteren Angeklagten vor dem Münchner Gericht. Das prozesstaktische Ziel, mit einer Einlassung kurz vor Ende der Beweisaufnahme besonderen Eindruck zu hinterlassen, haben Zschäpe und ihre Vertreter verfehlt.

Wie für jeden Angeklagten gilt für die überlebende Dritte im NSU-Trio die Unschuldsvermutung. Das Gericht muss Zweifel an der Einlassung Zschäpes belegen. Es gibt aber Zeugen, die dem Bild des unpolitischen Heimchens am Herd, das die Angeklagte von sich zeichnet, bereits widersprochen und eine Beziehung auf Augenhöhe beschrieben haben.

Die Einlassung ähnelt zudem auffallend den vielen verharmlosenden und verschleiernden Aussagen von Zeugen aus der Neonaziszene. Die Version vom Unschuldslamm Zschäpe verfängt nicht.

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