Kommentar NSU-Prozess - Eine offene Frage

Der große Paukenschlag blieb aus. Beate Zschäpe bekommt keine(n) neuen Verteidiger und damit auch keine mögliche Auszeit vom Verfahren.

Die Hauptangeklagte im Prozess gegen das rechtsterroristische Netzwerk "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) muss gegen ihren Wunsch mit ihren bisherigen drei Pflichtanwälten weitermachen. Aber ein solches Verfahren ist ohnehin für keinen der Beteiligten ein Wunschkonzert. Vor allem für die Opfer-Familien ist der ignorante Gestus, mit dem Zschäpe ihnen konsequent den Rücken zukehrt, kaum zu ertragen.

Das Oberlandesgericht München, das gestern bereits am 129. Tag die Anklage gegen Zschäpe verhandelte, sieht keine stichhaltigen Gründe dafür, dass das Vertrauen in ihre Verteidiger tatsächlich nachhaltig erschüttert sei. Zschäpe soll angeblich psychisch erschöpft sein und deswegen einen Verteidigerwechsel gewollt haben. Psychisch erschöpft?

Nun gut, es läge Zschäpe frei, reinen Tisch zu machen, vor allem dann, wenn sie erkennen muss, dass Indizien sich mit der Verfahrensdauer zu neuen Beweisen verdichten und relevante Zeugen auch der rechten Szene, wie geschehen, sie schwer belasten. Doch vielleicht ist diese Annahme, Zschäpe könnte aussagewillig sein, wenn ihre Verteidiger sie nur ließen, auch naiv. Alles eine Frage von Skrupel und Kaltschnäuzigkeit. Trotzdem: Ob die Angeklagte ihr Schweigen durchhält, bleibt eine ebenso offene wie entscheidende Frage. Auch Zschäpe braucht ein Ventil. Es wäre eine Chance für die Wahrheit.

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