Kommentar NPD-Verbotsverfahren - Riskanter zweiter Anlauf

Berlin · Natürlich ist es aller Ehren wert, die NPD verbieten zu wollen. Zehn Jahre lang waberte nach dem ersten mit Pauken und Trompeten in Karlsruhe gescheiterten entsprechenden Verfahren die innenpolitische Debatte um eine staatlich veranlasste Auflösung der Neonazi-Partei.

Es sind für diese Zeit deutlich nachvollziehbare Querverbindungen zwischen NSU-Terror und der NPD dokumentiert worden. Die Programmatik hat sich noch weiter radikalisiert. Höchste Zeit also für einen zweiten Verbotsantrag, zumal sichergestellt sein soll, dass der Antrag diesmal tatsächlich nicht durch den Einsatz von V-Leuten des Staates beschädigt worden sein soll.

Der Antrag der Landesregierungen setzt neue Schwerpunkte: Er geht im Prinzip von der These aus, dass die NPD eine Fortschreibung der nationalsozialistischen NSDAP ist, die die systematische Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden betrieb. Damit wollen die Landesregierungen die dramatische Bedrohungsdimension, die von der NPD ausgeht, versinnbildlichen.

Das ist ein guter Ansatz. Dennoch bleibt eine Frage: Wenn denn die Gefahr so bedrückend, der NPD-Mobilisationsgrad so hoch ist und es weiter rechtsextremen Terror in diesem Land gibt, warum haben sich nicht andere Verfassungsorgane wie die Bundesregierung oder der Bundestag dem Verbotsverfahren angeschlossen? Ein gemeinsames Auftreten der Verfassungsorgane vor den Richtern hätte psychologisch die Außenwirkung gehabt, dass sich der gesamte Staat einig in der Verbotsabsicht ist.

Die Risse sind erklärbar: Es ist nicht sinnvoll, die politische Gefahr zu verniedlichen. Aber sie darf auch nicht übertrieben werden. Auch wenn es nichts zu beschönigen gibt: Im innereuropäischen Vergleich steht die Bundesrepublik in Sachen Rechtsextremismus besser da als einige ihrer Nachbarn. Andere Staaten - beispielsweise Frankreich - müssen sich mit Rechtsextremisten im Parlament herumschlagen. Deren finanzielle Ausstattung ist komfortabel, sie haben keinerlei Schwierigkeiten, sich auf der politischen Bühne zu halten. In Deutschland ist die NPD hoch verschuldet; Ihre Repräsentanz in den Parlamenten ist - abgesehen von Landstrichen im Osten Deutschlands - wenig bedrohlich.

Die Alternative zu einem Verbot ist, die NPD verhungern zu lassen. Diese Möglichkeit der politischen Lösung des NPD-Problems wird die Verfassungsrichter zuallererst beschäftigen. Denn man muss wissen: Die Karlsruher Richter tun sich in Sachen Parteiverbot sehr schwer. Das hängt mit der spezifischen deutschen Geschichte zusammen. In den 50-er Jahren wurden die Sozialistische Reichspartei und die KPD verboten. Das KPD-Verbot wurde verbunden mit hohen Hürden für ein Parteienverbot. Insofern ist der Antrag der Länder ein schwer kalkulierbares Risiko.

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