Kommentar NPD-Verbot - Der neue Anlauf

Die Landesinnenminister wollen einen Akzent setzen. Deswegen werden sie einheitlich in dieser Woche ein Verbot der NPD beantragen. Weitere wichtige Unterschriften fehlen allerdings: Die schwarz-gelbe Koalition zögert, als Bundesregierung dem Verfahren beizutreten.

Das blamable Scheitern des ersten Verbots-Anlaufs ist noch in allerschlechtester Erinnerung. Das gilt auch für den Bundestag. Aus den Abgeordneten-Reihen kommt Skepsis, die die Unsicherheit der Antragsteller über das letztendliche Votum der Karlsruher Richter noch unterstreicht.

Das Verbots-Anliegen darf in keiner Weise zu einer Alibi-Veranstaltung werden. Durch das Verfahren darf die aktuelle Debatte nicht unter den Tisch fallen. Die Suche auch nach der geistigen Rolle und tatsächlichen Komplizenschaft der NPD bei den NSU-Morden muss weiter vorangetrieben werden.

Immer noch unklar ist die Frage, ob diese rechtsextremen Morde bei rechtzeitiger Information durch die V-Leute des Verfassungsamtes hätten verhindert werden können. Aber ebenso wichtig ist die innenpolitische Realität. Und da fällt eben auf, dass das vollständige Bild der rechtsextremen Gefahr in Deutschland nicht gezeichnet wird.

Die Realität des neonazistischen Treibens auf der politischen Bühne wie die eines Landtages ist zwar ärgerlich, aber nicht das wirkliche Problem. Die Schwierigkeit ist ein Mangel an gesellschaftlichem Mut, sich gegen die Beeinflussung vor allem Jugendlicher durch Rechtsextremisten in der Freizeit zu stemmen.

Die NPD und ihre Anhängerschaft organisieren Kinderfeste, betreuen Ältere und diskutieren mit jenen jüngeren Menschen, die mangels Bildungs- und Ausbildungsperspektive an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden sind. Sie bilden den geistig-moralischen Nährboden, auf dem die hasserfüllte Agitation der Neonazis fällt und gedeiht. Das funktioniert umso leichter, je prekärer die sozialen Verhältnisse sind.

Und wo kein Geld für Krippen, Jugendheime und Büchereien fließt, dort ist Abwechslung eine willkommene Erfahrung.Aber auch gesellschaftlich trifft das NPD-Nazitum auf bereitwillige Billigung zumindest in Bevölkerungsteilen. Neuere Studien besagen, dass der Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung erheblich wächst. 20 Prozent der Bevölkerung unterstützen rechtsextremistische Denkweisen. Und das sind alles Probleme, die durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht bewältigt werden können.

Auch für das Bild Deutschlands im internationalen Umfeld ist die Klage in Karlsruhe natürlich sinnvoll. Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei. Auch ohne V-Leute müssten die Karlsruher Richter dies nachvollziehen können. Aber eine Wette auf ein "Ja" aus Karlsruhe zum NPD-Parteienverbot nimmt in Berlin niemand an.

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